Persönlichkeit

„Klappern gehört zum Handwerk“

Heißt, wer etwas gut kann, sollte auch darüber reden.

Was das mit Selbstvertrauen zu tun hat, fragte ich unsere Trainerin Birgit Schürmann.

Jeder kennt solche Typen im Job, die bei jeder Aufgabe, die gerade verteilt wird, sofort hier schreien. „Ich kann das, ich schaff das.“ Ist das Ausdruck eines gesunden Selbstvertrauens oder Selbstüberschätzung?

Birgit Schürmann: Wenn solche Typen es dann schaffen, ist es gesundes Selbstvertrauen! Schüler der Grundschule rufen auch noch: „Hier!“ wenn sie die Antwort wissen. Leider hat das: „Hier!“ rufen in unserer Gesellschaft ein „Geschmäckle“ bekommen. Mir hat man, als ich noch ein Kind war, ins Poesiealbum geschrieben: „Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein!“. Schade! Was ist daran falsch, zu wissen und vor allem zu zeigen, dass man etwas kann?

Was bedeutet es eigentlich, wenn jemand Selbstvertrauen hat? Und gibt es einen Unterschied zu Selbstbewusstsein?

Birgit Schürmann: Meiner Meinung nach bedeutet Selbstvertrauen, dass ich mir Dinge zutraue. Unter Selbstbewusstsein verstehe ich die daraus resultierende Außenwirkung.

Selbstvertrauen ist also die innere Einstellung zu Herausforderungen, während Selbstbewusstsein die Eigenschaft ist, diese auch nach Außen zu tragen. Richtig?

Birgit Schürmann: Das passiert zwangsläufig. Unsere inneren Einstellungen, unsere Glaubenssätze und Werte prägen uns: unsere Gedanken, unser Leben und unsere Außenwirkung.

Wenn Sie im Coaching oder im Training auf Menschen treffen, die ihr berufliches Auftreten verändern wollen, arbeiten Sie zuerst an der Selbstwahrnehmung?

Birgit Schürmann: Ich arbeite zuerst an der Fremdwahrnehmung. Weitere Themen sind die Selbstwahrnehmung bzw. Selbstreflexion sowie die Frage: Was macht einen Mensch mit einem hohen Selbstvertrauen aus? Wie stehe ich im Vergleich da und welche Möglichkeiten habe ich, mein Selbstvertrauen zu steigern? In meinem Training gibt es viele praktische Übungen, welche die Präsenz, die Ausstrahlung und die Flexibilität der Teilnehmer unterstützen.

Es gibt extrovertierte und introvertierte Typen. Aber nur weil ein Mensch auf andere Personen zugehen und diese für sich einnehmen kann, bedeutet das ja nicht, dass er über ein hohes Selbstvertrauen verfügt. Was hat Selbstvertrauen mit Persönlichkeit zu tun?

Birgit Schürmann: Da gebe ich Ihnen völlig recht! Selbstvertrauen zu haben, bedeutet nicht, dass man sich extrovertiert geben muss. Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Menschen mit höherem Selbstvertrauen haben in der Regel weniger Angst, sich so zu geben und zu zeigen, wie sie sind.

Wie wirkt sich fehlendes Selbstvertrauen auf die berufliche Perspektive aus?

Birgit Schürmann: Wir erleben alle, dass ein verändertes Umfeld, ein anderer Gesprächspartner oder auch ein neuer Job unser Selbstvertrauen positiv beeinflussen können. Wenn ich mich nicht traue oder mir nicht erlaube, bestimmte Dinge zu tun oder zu zeigen, schränkt das meine Möglichkeiten ein. Die Höhe meines Selbstvertrauens wird sehr schnell von meinem beruflichen Kontext wahrgenommen. Meine Mitmenschen spüren sie an meiner Wirkung und an meinem Verhalten. Wenn ich an dieser Stelle ein Defizit habe, hat es häufig zur Folge, dass ich übergangen werde, übersehen werde oder dass man mir nichts zutraut. Die Folge: Ich bekomme keine Aufgaben, an denen ich wachsen kann und die mein Selbstvertrauen stärken und festigen.

Wie komme ich aus dieser Abwärtsspirale wieder heraus? Welche Möglichkeiten habe ich, meine Kollegen oder meinen Vorgesetzten von mir zu überzeugen?

Birgit Schürmann: Viele Menschen hoffen, dass sie sich allein über ihre Qualität durchsetzen und es ist ihnen unangenehm, über die eigenen Leistungen zu sprechen und sie gegebenenfalls in den Vordergrund zu rücken. Leider ist ihnen nicht bewusst, dass sie dementsprechend beurteilt werden. Mit anderen Worten: Wenn ich nicht klappere, denken die anderen, ich kann nichts! Stellen Sie daher Ihr Licht nicht unter den Scheffel und sprechen Sie über Ihre Kompetenzen! Wenn Sie sich davor fürchten, dass es eitel oder großspurig wirkt: passend formuliert klingt es ganz natürlich.

Das Selbstwertgefühl sinkt im Alter, sagen Psychologen. Ist Selbstvertrauen auch eine Eigenschaft, die sich mit dem Lebensalter verändert?

Birgit Schürmann: Ja, davon gehe ich aus. Im Übrigen habe ich auch das Gefühl, dass die Deutschen, betrachtet man die verschiedenen Generationen immer selbstbewusster werden.

Inwiefern?

Birgit Schürmann: Wir erziehen unsere Kinder anders als früher. Wir nehmen sie ernst und treffen Absprachen mit ihnen. Wir loben die Kleinen, fördern sie und lassen sie demokratisch mitbestimmen. Mittlerweile sehe ich eher die Gefahr, dass wir ihnen zu viel abnehmen, wie Helikopter-Eltern. Man sollte nicht vergessen, dass Selbstvertrauen auch steigt, wenn wir lernen, mit Misserfolgen umzugehen und uns wieder neu motivieren.

Selbstvertrauen ist also Erziehungssache?

Birgit Schürmann: Nicht nur. Familie, Freunde und Partner, die uns bestärken, wertschätzen und unterstützen, fördern das Selbstvertrauen und können, wenn das Gegenteil der Fall ist, das Selbstvertrauen erheblich beschädigen. Wenn Sie einen Job haben, der Sie erfüllt, Ihnen Spaß macht und Ihnen das Gefühl gibt, Sie leisten einen sinnvollen Beitrag – das beflügelt Ihr Selbstwertgefühl! Die Leitung der Drogeriekette dm hat beispielweise schon früh erkannt, welchen Wert Herausforderungen für das Selbstbewusstsein ihrer Azubis haben: Alle Auszubildende lernen in Theaterworkshops, sicherer aufzutreten. Wenn Sie eine Filiale von dm betreten, kann es passieren, dass diese Filiale in diesem Monat nur von den Azubis des 3. Lehrjahres geführt wird.

Können Sie eine Übung empfehlen, mit der ich mein Selbstvertrauen entdecken und stärken kann?

Birgit Schürmann: Gibt es Aufgaben, die Ihnen unangenehm sind und vor denen Sie sich gerne drücken? Wenn ja, stellen Sie sich des Öfteren solchen Aufgaben und verlassen Sie Ihre Komfortzone! Machen Sie einen Tag lang Kaltakquise am Telefon, präsentieren Sie ein Projekt vor Ihren Kollegen oder melden Sie sich freiwillig für eins der Rollenspiele in einem Seminar. Wenn Sie diese Aufgaben erfolgreich meistern, stärkt das Ihr Selbstvertrauen.

Vielen Dank für das Interview.

Birgit Schürmann, Trainerin im Auftrag des imeBirgit Schürmann (Berlin), ausgebildete Schauspielerin ist seit 2005 zertifizierte Trainerin und Coach DVNLP. Für das ime ist sie als Trainerin der Seminare Selbst-Bewusstsein und sicheres Auftreten und Unverhofft kommt oft: Improvisationstraining im Einsatz. Im Bereich Rhetorik und persönlicher Auftritt wird sie auch als Inhouse-Trainerin eingesetzt. Sie hat einen Blog und den bekanntesten deutschsprachigen Podcast zum Thema Rhetorik.

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