Die Social Media sind derzeit in aller Munde und werden auch von Personalabteilungen teilweise schon zur Gewinnung neuer Mitarbeiter genutzt. Doch ihr Einsatz als Recruiting Tool ist umstritten. Wir haben Christoph Athanas, Social Media HR Experte und Partner des IME, zu seiner Einschätzung befragt.
1. Wie werden nach Ihrer Erkenntnis Social Media von den Personalabteilungen bislang hauptsächlich genutzt?
Soziale Medien bieten eine Reihe von interessanten Einsatzmöglichkeiten im HR-Kontext. Social Media können z.B. für aktive Personalsuche und –ansprache von passiven Job-Kandidaten genutzt werden (sog. Active Sourcing), indem Personaler die Netze nach passenden Talenten durchsuchen. Weiterhin ist es beliebt das eigene Unternehmen unter Karrieregesichtspunkten in sozialen Netzwerken zu präsentieren. Dazu nutzen Unternehmen beispielsweise Facebook-Karrierefanpages oder Xing-Unternehmensprofile. Dies sind Maßnahmen zur Employer Brand Kommunikation. Ziel ist es hier die Arbeitgebermarke aufzubauen und im sozialen Web bekannt zu machen. Außerdem wollen Unternehmen mit potenziellen Bewerbern in Beziehung treten. Dies wird als Aufbau von Talent Relations bezeichnet. Schließlich gibt es unterschiedliche Facetten von ad-hoc Recruiting-Aktionen, wo mittels sozialer Medien einzelne offene Stellen besetzt werden sollen. Bekannt geworden sind in dem Zusammenhang etwa einzelne Recruitingvideos via YouTube.
2. In der Trendanalyse der Zeitschrift Personalwirtschaft für 2013, den „trends 13“ heißt es, dass immer noch 50% der Unternehmen bislang keine Berührungspunkte zu Social Media haben. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?
Nun ja, es gibt mittlerweile viele Studien und Befragungsergebnisse zur Social Media Nutzung. Diese Berichte kommen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. Insofern sollte man nicht zu sehr auf irgendwelche Prozentzahlen schauen. Deren Zahlen sind sehr abhängig von Methode und Umfang der jeweiligen Befragung. Was sich aber sicher sagen lässt ist, dass es noch immer eine beachtliche Gruppe von Unternehmen gibt, welche sich mit Social Media schwer tun. Diese Unternehmen stehen mehr oder weniger am Rand und beobachten die Entwicklungen, welche andere Unternehmen im Feld der sozialen Medien bereits aktiv in Angriff nehmen.
Grob kann man die Intensität der Social Media Aktivitäten von Unternehmen in vier Gruppen einteilen: Da gibt es allen voran die Pioniere, welche bereits früh mit dem Thema aktiv experimentiert haben und nun meist schon gute Strategien und Lösungen entwickelt haben. Das ist eine sehr kleine Zahl von Unternehmen. Sie bieten auch im HR-Bereich meist die best practices, über welche Blogger berichten oder die auf Konferenzen besprochen werden. Dann gibt es die sogenannten „early adopter“, eine größere Reihe Unternehmen, welche bereits vor einiger Zeit den Pionieren nachfolgten und nun dabei sind Social Media z.B. in der Employer Brand Kommunikation zu implementieren. Die nächste große Gruppe sind die Unternehmen aus der Reihe der sog. „late adopter“, also die späten Nachfolger. Diese beginnen nun langsam das Thema auch praktisch zu entwickeln und nähern sich an. Oft sind deren Lösungen aber noch inselhaft und es wird mit „angezogener Handbremse“ agiert. Hier finden sich eine Reihe Mittelständler. Letztlich gibt es die noch gar nicht aktiven Unternehmen. Ob das wirklich 50% sind kann ich nicht sagen. Sicher sind es noch einige.
Allerdings: Berührungspunkte mit Social Media haben potenziell auch diese Unternehmen, mindestens dadurch, dass auch über sie im Social Web gesprochen wird – ob sie es wollen oder nicht.
3. Social Media werden zwar laut einer Studie in der o.g. Zeitschrift häufiger genutzt als Online-Stellenanzeigen und die Karrierewebseiten der Unternehmen, sind aber trotz allem nicht so effektiv wie diese, wenn es um die tatsächliche Stellenbesetzung geht. Wie kommt es zu diesem Missverhältnis?
Wie ich schon in meiner ersten Antwort ausgeführt habe, ist das Ziel von Social Media in der Personalbeschaffung nicht immer gleich die direkte Stellenbesetzung. Da sich viele Social Media Karriereauftritte eher um Arbeitgebermarkenkommunikation drehen, ist das unter Umständen die Erklärung. Es muss kein Widerspruch sein, wenn sich Bewerber zunächst, z.B. via Facebook oder Arbeitgeberbewertungsportal, über einen Arbeitgeber informieren, sich dann aber – zur passenden Zeit – via Stellenanzeige in einer Jobbörse bei eben jenem Arbeitgeber bewerben.
4. Wie positionieren Sie sich zu der folgenden Aussage in der Studie:
Erst mit Social Media starten wenn…
a) … die Sicherstellung geeigneter Instrumente zur Erfolgsmessung vorhanden ist (Qualität der Follower und Fans prüfen).
b) … die eigene Karrierewebsite steht: Sie ist das Zentrum aller Social Media Aktivitäten.
Die Aussage a) finde ich grenzwertig. Natürlich soll und muss auch in den Social Media Controlling betrieben werden um steuern und optimieren zu können. Hier aber klingt es für mich, als würde erst nach dem Geschwindigkeitsmesser gerufen werden, noch bevor der Motor jemals in Betrieb war… Ich würde also mit definierten Zielen und einer klaren Strategie in die Social Media Nutzung starten und dann zügig ein passendes Reporting zur Erfolgsmessung aufbauen. So herum macht es meines Erachtens Sinn.
Aussage b) kann ich nur voll zustimmen: Die Karrierewebseite sollte das Kraftzentrum aller Social Recruiting Aktivitäten sein. Alle andere Plattformen oder Netzwerke sollten ihr Bewerber zuführen und alle anderen Aktionen sollten hier gebündelt werden. Wichtiges Argument hierbei ist nicht zuletzt, dass Unternehmen auf ihrer Karrierewebseite immer „Herr im Haus“ sind und frei von Einschränkungen, wie sie beispielsweise Facebook vorschreibt.
5. Bei den Social Media Plattformen für Recruiting ist XING derzeit am stärksten verbreitet. Denken Sie, dass XING diese Position weiter ausbauen wird oder gewinnen andere Plattformen an Bedeutung?
Ja, vermutlich wird Xing im deutschsprachigen Raum diese Position verteidigen. Es wird jedoch auch davon abhängen, ob es Xing gelingt, weiter ein attraktives Produktangebot für Recruiting zu bieten. Die neue Form der sogenannten Xing-Talentmanager muss erst noch volle Akzeptanz finden. Ich persönlich finde es beispielsweise schade, dass diese Lösung die schlankere Recruiter-Mitgliedschaft abgelöst hat. Mal sehen was passiert. Sicher ist aber, dass auch LinkedIn, der große internationale Wettbewerber von Xing, in Deutschland immer mehr Bedeutung gewinnt.
6. Letzte Frage: Wie lautet Ihr persönlicher Standpunkt zu der Frage, ob Social Media als dialogorientierter Kanal als Mittel zur Stellenbesetzung zweckmäßig ist, wo doch eine Ausschreibung in jedem Fall zunächst eine Einwegkommunikation darstellt?
Das stimmt: Soziale Medien leben vom Dialog und eine Stellenausschreibung im klassischen Sinne ist eine One-Way-Message. Allerdings bieten soziale Medien so viele Chancen zum Dialog lange VOR der Reaktion auf eine Stellenausschreibung, dass eine Bewerbung dann am Ende eines unter Umständen längeren Prozesses der Auseinandersetzung von Bewerber und Unternehmen miteinander steht.
Eine Reihe Unternehmen scheuen dies noch, weil es nach Aufwand klingt und die Einweg-Kommunikation mit dem schlichten Schalten von Anzeigen vermeintlich so schön einfach ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Gute Dialoge und eine authentische und transparente Auseinandersetzung von Bewerbern und Unternehmen miteinander sind letztlich wertschöpfend für beide Seiten. Die passenden Bewerber bewerben sich wirklich, sind intrinsisch motiviert und fühlen sich von dem Unternehmen gut und fair behandelt. Ein solches Unternehmen bekommt mehr gute Leute und weniger unpassende. Schließlich können via soziale Medien auch immer mehr Mitarbeiter leichter selbst etwas für die Personalbeschaffung im Sinne ihres Arbeitgebers tun (Mitarbeiterempfehlungen). Die formale Stellenausschreibung kann und wird bleiben, aber gelungenes Social Media Recruiting bettet sie ein und macht sie zu einem kleinen Infobaustein in einem großen Kandidaten-Arbeitgeber-Dialog.
Über Christoph Athanas
Christoph Athanas (Jg. 1971) ist Gründer und Geschäftsführer der metaHR Unternehmensberatung GmbH. Er berät Unternehmen darin, wie diese die passenden Talente finden, fördern und binden können.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Optimierung der Personalbeschaffung. Teil davon ist gerade auch der Einsatz von Social Media für Recruiting und Employer Branding. Christoph Athanas führt zu diesen Themen Workshops durch und berät Unternehmen darin, ein passendes Einstiegsszenario für die Nutzung sozialer Netzwerke zu entwickeln und umzusetzen. Er selbst ist im Social Web vielfältig präsent (Twitter, Xing, Facebook) und aktiv als Autor des metaHR Human Resource Blogs.
Christoph Athanas ist Diplom Sozialwissenschaftler und verfügt über langjährige Erfahrungen als Organisationsentwickler und Führungskraft. Neben dem Recruiting gilt seine Aufmerksamkeit der Entwicklung von Nachwuchsführungskräften. Er ist Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin. Darüber hinaus ist er einer der beiden Organisatoren der HR BarCamps in Deutschland, einem innovativen, nicht-kommerziellen Konferenzformat für HR-Trends mit Teilnehmern aus namhaften Firmen.