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„Personalentwicklung muss sich an ältere Mitarbeiter anpassen!“

Bis 2024 wird der Anteil der über 50-jährigen Erwerbstätigen auf 40 % anwachsen. Unternehmen werden sich auf diese Veränderungen einstellen müssen. Was kann die Personalentwicklung tun? Ein Interview mit ime-Expertin Martina Hitzler.

Frau Hitzler, wo sehen Sie die drängendsten Personalfragen in Unternehmen?

Sowohl im Gespräch mit Unternehmern als auch in der öffentlichen Diskussion sind es zwei Aspekte, die mir immer wieder ins Auge fallen: Zum einen stellen wir für viele Branchen einen Fachkräftemangel fest, zum anderen müssen sich viele Unternehmen mit einer alternden Belegschaft auseinandersetzen. Ich bin davon überzeugt, dass diese beiden Faktoren in den nächsten Jahren noch stärker die Personalarbeit und den Arbeitsmarkt beschäftigen werden. Ältere Mitarbeiter müssen länger im Erwerbsprozess gehalten werden.

Gibt es schon Ansätze, was Unternehmen ändern können?

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) untersucht zum Beispiel in einem Modellprojekt der Rhein-Ruhr-Region eine alternative Herangehensweise. Können überbetriebliche Tätigkeitswechsel für Erwerbstätige in Berufen mit begrenzter Tätigkeitsdauer dabei helfen, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen zu verlängern? Die Idee ist, diese erfahrenen und älteren Berufstätigen fachlich und persönlich so zu entwickeln, dass sie in einem anderen Unternehmen einer neuen Tätigkeit nachgehen können.

Das klingt jetzt nicht nach der nächsten Revolution auf dem Arbeitsmarkt.

Das sehe ich ganz und gar nicht so: Es handelt sich dabei um einen ganz neuen Ansatz. Überbetriebliche Tätigkeitswechsel sind ein absolutes Novum und können in Zukunft eine von vielen Maßnahmen sein, um die Arbeitsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhalten. Die dahinterstehenden Prozesse werden Unternehmen viel stärker verändern, als man auf den ersten Blick denkt.

Wie meinen Sie das?

Wenn junge Menschen in ein Unternehmen eintreten, ist ihre Erwerbsbiografie ein unbeschriebenes Blatt. Erst langsam füllt sie sich mit Qualifikationen und Kompetenzen und stellt die Arbeitsfähigkeit sicher. Haben Erwerbstätige ein bestimmtes Alter erreicht, fallen sie aus dieser Betrachtung raus. Personalentwicklung setzt mit den verschiedensten Maßnahmen sehr oft bei jüngeren Mitarbeitern an, weniger bei älteren.

Muss sich Personalentwicklung ändern?

Unternehmen brauchen eine dynamische Personalentwicklung, die den Einzelnen begleitet und die Maßnahmen auf die Lebensumstände abstimmt. Dazu müssen sich Personalverantwortliche mehr auf die Erfahrungen und Bedürfnisse von Erwerbstätigen mit längerer Tätigkeitsdauer konzentrieren und Unterstützungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an diesen Bedürfnissen orientieren.

Die Kollegen aus der Personalabteilung brauchen eine andere Perspektive?

In der Personalentwicklung wirken genau die gleichen Altersstereotype wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch. Zum Beispiel wissen wir ja aus der Alterspsychologie, dass die Merk- und Lernfähigkeit älterer Menschen anders ist. Aber die Mehrheit der Personalentwickler schaut fast ausschließlich auf die intellektuellen Aspekte. Wie sind die Mitarbeiter qualifiziert? Was haben sie bisher gemacht? Wie können wir diese Voraussetzungen nutzen, damit sie noch leistungsfähig im Betrieb sind? Dabei geht der Blick weg von der grundlegend veränderten Motivationslage älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Verändert sich Motivation im Alter?

Ja, das ist tatsächlich so und kann von verschiedenen psychologischen Modellen abgeleitet werden: Zusammengehörigkeitsgefühl, Autonomie, Entscheidungsfreiheit und Flexibilität am Arbeitsplatz beeinflussen die Motivation weit mehr als bei jungen Mitarbeitern. Andererseits wollen ältere Berufstätige den Status, den sie sich erarbeitet haben, nicht verlieren. Würde man ihnen eine Stelle anbieten, die körperlich weniger fordernd ist, aber auch mit einer Gehaltseinbuße verbunden ist, entscheidet sich meiner Erfahrung nach die Mehrheit dagegen. Entscheidend ist aber, dass ihnen für die lange Tätigkeit im Unternehmen ein hohes Maß an Wertschätzung entgegen gebracht wird. Das ist leider oftmals nicht der Fall.

Wie können wir Wertschätzung zum Ausdruck bringen?

Das Generativitätsmotiv ist bei vielen älteren Beschäftigten die Basis ihres Engagements. Sie wollen ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben. Das steigert das Gefühl, wertgeschätzt zu werden. Bislang können sie dieses Motiv eher im Privaten ausleben, wenn sie mit ihren Enkeln oder Kindern zusammenkommen. Im Unternehmen wird das aber eher selten abgefragt. Diese Potenziale können für jüngere Kollegen genutzt werden. Die Personalabteilung muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen.

Wie sehen die aus?

Personalentwicklung muss altersgerechte Angebote unterbreiten und den Aufbau altersgemischter Teams fördern. Altersstereotype müssen auf allen Hierarchieebenen thematisiert werden, damit sie den Arbeitsalltag nicht nachhaltig stören. Qualifikationsansätze in Unternehmen müssen die unterschiedlichen Lernstrategien in unterschiedlichen Altersklassen berücksichtigen. Dann werden die Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern dem demografischen Wandel auch in Zukunft gewachsen sein.

Vielen Dank für das Interview.

Martina Hitzler (Dipl.-Biologin) ist seit 20 Jahren Personal- und Kommunikationsberaterin in verschiedenen Branchen. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit (Psychologie B. Sc.) arbeitet sie in diversen Netzwerken und Forschungsprojekten zur Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen. Für das ime ist sie als Expertin und Trainerin für die Themen betriebliche Gesundheit, Kundenorientierung und Vertrieb im Einsatz.

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