Die Zukunft Personal hatte auch dieses Jahr wieder einiges zu bieten – viele bekannte Gesichter, jede Menge interessante Menschen, tolle Gespräche und eine Vielzahl an Buzzwords. Nicht ganz unbeteiligt an dieser Entwicklung ist die Messegesellschaft, die mit dem Schlagwort „arbeiten 4.0“ das Motto der Messe vorgab, damit aber leider zur Schlagwortinflation entscheidend beigetragen hat. Wie schon Soziologieprofessor Stefan Kühl zum Konferenzauftakt festhielt, ist der Begriff „arbeiten 4.0“ völlig fiktiv und täusche darüber hinweg, dass wir uns in einem Prozess befinden, der in den üblichen Wellenbewegungen verlaufe. Also, alles schon mal da gewesen? Meine persönlichen Highlights der Zukunft Personal 2015.
Vier Hallen mit über 30.000 qm Ausstellfläche und 651 Ausstellern – in jeder Halle, an jeder Ecke verfolgen mich HR-Buzzwords wie Obstfliegen einen vollreifen Pfirsich. Mir schwirrt schon nach wenigen Minuten der Kopf. Generation Y & Z, Diversifizierung, Künstliche Intelligenz, Big Data, Candidate Experience, Transformation, Digitalisierung … – wer soll da eigentlich noch durchsehen? Oder besser gefragt, wer will da eigentlich noch durchsteigen? Aber Buzzwords geben Halt, sie verdichten einen komplexen Sachverhalt auf kleine genießbare Happen und machen die teilweise schwere Kost leicht verdaubar. Also dann mal los. Bringen wir etwas Licht ins Dunkel.
Die Ära der Digitalisierung: Müssen sich Führung und Personalarbeit neu erfinden?
Thomas Sattelberger gibt mit Verweis auf die Sommerausgabe der Harvard Business Review die Antwort gleich zu Beginn seines Vortrags. ‚Blow Up HR‘ – kein Zweifel, die Digitalisierung verändert Personalarbeit! Verhandelt werden kann nur noch die Intensität und Geschwindigkeit der Transformation. Sattelberger appeliert an die Anwesenden diesen Prozess endlich anzunehmen und zu gestalten. Allerdings befürchtet er, dass der wirtschaftliche Erfolg deutsche Unternehmen hat träge werden lassen – „german engineering“ als Einbahnstraße. Der jahrzehntelange Fokus auf MINT habe auch die Personalarbeit in den Unternehmen beeinflusst. Maschinendenken, normierte Talent-Pools und Effizienzstreben haben ihre Spuren hinterlassen, Ausprägungen wie Kreativität, Verschiedenheit und Freiraum wurden vernachlässigt. Die ‚Diktatur der Ingenieure und BWLer‘ müsse gebrochen werden, so Sattelberger. Unternehmen, die Innovationen schaffen und die Herausforderungen bewältigen wollen, müssten innerbetriebliche Netzwerkstrukturen erschließen, die Teilhabe und Beteiligung am Unternehmen ausbauen und die Stärken ihrer Mitarbeiter entwickeln.
Welche Aufgaben kommen dabei eigentlich der HR zu?
Personaler fräsen Innovationsinseln in die bestehenden Unternehmensstrukturen ein. Sie gestalten Räume und Zeiten für kreatives Querdenken und legen damit die Basis für Innovationsfreude. Sie schaffen ein Unternehmensklima, in dem Führungskräfte ihre ursprüngliche Aufgabe des Führens und Entwickelns von Mitarbeitern wieder erfüllen können. Eine coachende Grundhaltung der Führungskraft stärkt die Souveränität und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter.
Arbeit 4.0 – wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert
Unter dem etwas sperrigen Titel „Die zweite Hälfte des Schachbretts oder die disruptive Kraft der Digitalisierung: Schlüsselkompetenzen und Neuorganisation der Arbeit“ hielt Dr. Christian P. Illek, Personalvorstand der Deutschen Telekom einen kurzweiligen, prägnanten und informativen Vortrag. Mit der Legende von Sissa, dem angeblichen Erfinder des Schachspiels verdeutlichte Illek die Kraft des Innovationsschubs. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Arbeitsabläufe, die auf keiner kreativen Leistung beruhen, von Maschinen automatisiert ausgeführt werden. Welche Veränderungen damit einhergehen, zeigte der Redner anhand der Ergebnisse einer groß angelegten Studie durch die Telekom und der Universität St. Gallen auf:
Eine große Besprechung würde den Rahmen sprengen aber auf drei Aspekte möchte ich hinweisen.
- Thematische Netzwerke, in denen sich hoch spezialisierte Fachkräfte zusammenschließen, lösen die Organisationsstrukturen in den Unternehmen ab. Loyalität wird nicht durch Strukturen gesichert sondern durch fachliche Expertise.
- Arbeitsprozesse werden nicht nur von der internen Belegschaft erfüllt, sondern von weltweit tätigen Experten. Beschäftigung wird durch Beauftragung abgelöst.
- Der Anteil des Menschen am Produktionsprozess wird weiter abnehmen. Im besten Fall übernimmt er die Kontrollfunktion.
Veränderungen der HR, einige Beispiele
- Arbeitsstruktur: Gearbeitet wird nicht mehr nur am Schreibtisch sondern überall.
- Unternehmenskultur: Zusammenarbeit wird immmer flexibler. Die Bindung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter nimmt ab. Experten nehmen verschiedene Aufträge an und suchen sich die besten Angebote heraus. Unternehmen müssen ihre Attraktivität nachweisen.
- Mitarbeiterführung: Wie bauen Projektverantwortliche persönliche Bindungen über technische Kommunikationsmittel zu Beauftragten auf, die orts- und zeitunabhängig arbeiten? Welche Instrumente sind beim Führen dezentraler Teams erfolgreich? Welche nicht?
- Recruiting: Kompetenzen und Erfahrungen der Mitarbeiter sind in digitaler Form einsehbar und nutzbar. Aufträge können passgenau vergeben werden. Die Personalauswahl beruht auf nachweisbaren Daten und weniger auf einem diffusen Bauchgefühl. Die kulturelle Passung eines Kandidaten wird unwichtiger.
Ist unter diesen Bedingungen Personalentwicklung überhaupt noch möglich?
JA, wenn Personalentwickler den Fokus auf die „Qualifizierungsreise“ der Mitarbeiter legen. Welche Kompetenzen braucht der Mitarbeiter in drei, vier oder fünf Jahren, um die Herausforderungen der automatisierten Arbeitswelt zu gestalten? Welche Lernformate eignen sich, wenn Mitarbeiter nur projektweise an Unternehmen gebunden oder weltweit tätig sind? Wie kombiniert man menschliche Kompetenzen mit technischem Verständnis?
Das Generationenkarussell – Sind die Altersklassen wirklich so verschieden?
Schon viel wurde über die Gen Y geschrieben und gesagt. Prof. Dr. Jutta Rump hat in ihrer Eröffnung zur Podiumsdiskussion „Cloud Sieben: Wie die junge Generation morgen arbeiten will“ noch einmal die „idealtypischen Ausprägungen“ der Gen Y im Vergleich zu den Babyboommern und der Generation X zusammengefasst. Merkwürdig finde ich allerdings die Titelwahl. Die Vertreter der Gen Y, also die nach 1985 geborenen, stehen doch schon voll im Arbeitsleben. Müsste es dann nicht heißen, „wie die junge Generation heute arbeiten will?“
Schön, dass Frau Rump mit einigen Mythen aufräumte und klarstellte, dass Gen Y und Baby-Boomer zwar unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen zur Arbeitswelt haben, aber doch eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit finden. Beide Generationen sind im beruflichen Kontext leistungsorientiert. Auch wenn dies unter anderen Vorzeichen deutlich wird. Während viele Baby-Boomer ihre Leistungsmotivation aus dem Pflichtbewusstsein und der Disziplin ziehen, wollen die meisten Vertreter der Gen Y von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens überzeugt werden. Ich denke, dass es ein typisches Bedürfnis der jungen Menschen ist, in Entscheidungen und Prozesse einbezogen zu sein. Dies spiegelt sich auch in der beruflichen Loyalität wider. Leitungsfunktionen sind nicht an die Hierarchieebene gebunden, sondern an die Kompetenzen, die eine Person mitbringen muss, um ein Projekt oder eine Aufgabe optimal lösen zu können. Führung kann deshalb wechseln und zu- oder abgesprochen werden. Das Loyalitätsprinzip existiert zwar weiterhin, wird aber in Frage gestellt. Abschließend hält Frau Rump fest, dass seit den 70er Jahren in den Familien ein anderer Erziehungsstil Einzug hielt, der auf Mitbestimmung, Wahlfreiheit und Partizipation setzt. Da müsse man sich nicht wundern, wenn die Menschen, die in einem demokratischen Familienleben geprägt wurden, die vermittelten Werte auch im Berufsleben verwirklicht sehen wollen, schloss Jutta Rump ihren Vortrag ab.