Industrie 4.0 ist im Sprachgebrauch von Politikern und Unternehmern angekommen. Ich habe unsere Trainer Manfred Prager und Waldemar Trenkel im Doppelinterview befragt, mit welchen Veränderungen sie in den Bereichen Mitarbeiterführung, Kommunikation und Kreativität rechnen. Entstanden ist ein spannendes und umfangreiches Interview, welches in drei Teilen hier bei uns im Blog veröffentlicht wird.
Industrie 4.0 beschreibt für mich einen vernetzten und damit flexiblen und selbststeuernden Produktionsprozess. Ich habe manchmal den Eindruck, dass in der Diskussion verschiedene Begrifflichkeiten durcheinander geraten.
Trenkel: Ich kann nachvollziehen, dass es häufig zu Verwirrungen kommt. Meistens fallen dann noch Begriffe wie „Smart Factory“ oder das „Internet der Dinge“. Industrie 4.0 beschreibt nichts anderes als die vierte industrielle Revolution. Im Vordergrund steht die vernetze intelligente Fabrik. Die Smart Factory erlaubt eine flexible und vernetzte Produktion. Vom Kundenauftrag bis zur Auslieferung können Einzelanfertigungen ressourcenschonend produziert werden. Was wir erleben, ist die Abkehr von der Massenfertigung, wie wir sie kennen. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis die Realität dies flächendeckend widerspiegelt.
Prager: Das smarte Unternehmen ist für mich in der Realität noch abwartend. Zwar sind die meisten Arbeitsplätze in der Fertigung automatisiert, das bedeutet jedoch nicht, dass sie auch smart sind. Besonders im Mittelstand gibt es Befürchtungen was die Praktikabilität und Sicherheit angeht. Wenn die Unternehmen smarter werden, betrifft dies weitestgehend die mittlere Ebene der Planung, Verwaltung und Führung. Die Arbeitswelt in der Fertigung und Logistik wird „kühler“ werden.
Wie meinen Sie das?
Prager: Die Experten vom Weltwirtschaftsforum in Davos behaupten, dass in den nächsten fünf Jahren über fünf Millionen Arbeitsplätze in den Industrieländern abgebaut werden. Wie gesagt, weniger in der eigentlichen Produktion, vielmehr im mittleren Management. 4.0 wird viel an Planung und Disposition übernehmen. Produktionsleiter fürchten um ihre eigentliche Funktion.
Wenn sich Produktionsprozesse selbst steuern, welche Verantwortung hat dann noch das mittlere Management?
Trenkel: Die Verantwortung bleibt. Die Aufgaben und Kompetenzen werden sich langfristig sogar erweitern.
Prager: Ja, der Produktionsleiter wird beispielsweise ein HR-Spezialist. Ein Spezialist für Kommunikation und soziale Systeme in einem Unternehmen…
Trenkel: Vernetzung bedeutet Zeitersparnis. Der Vorgesetzte kann sich mehr um seine Mitarbeiter kümmern.
Wie verändert sich dann der Arbeitsalltag in der Produktion?
Trenkel: Der Mensch überwacht die Maschinen. Dem Produktionsleiter stehen alle Daten in Echtzeit zur Verfügung. Die Vernetzung bringt mehr Flexibilität. Eberhard Veit, einer der Mitbegründer des Begriffs Industrie 4.0, sagte letztens auf einer Veranstaltung: „Eine Mutter holt das Kind vom Kindergarten ab. Sie überwacht die Produktion auf einem Tablet. Das kann Arbeitszeit sein.“
Prager: Bislang produzieren Unternehmen dort, wo sie die besten Rahmenbedingungen vorfinden. In Zukunft werden Produkte dort hergestellt, wo sie gebraucht werden. Im besten Fall holt der Kunde es dann mit einer „Blaupause“ aus dem 3-D-Drucker. Produktion ist dann eher eine Frage der Logistik von Software.
Nächsten Mittwoch: Freuen Sie sich auf den zweiten Teil des Interviews, in dem unsere Experten veränderte Kommunikationsstrukturen und mögliche Konfliktherde beleuchten.
Interview: Industrie 4.0
- Teil 1: Mitarbeiterführung und Arbeitsalltag in der Produktion
- Teil 2: Veränderte Kommunikation
- Teil 3: Bleibt die Kreativität auf der Strecke?
Bildquelle: Daimler AG, CC BY-NC-ND 2.0