Sind demokratische Unternehmen die besseren Unternehmen?

So oder ähnlich hätte die Leitfrage der Konferenz „Das demokratische Unternehmen – Aufbruch in eine neue Humanisierung der Arbeitswelt?“ der TU München auch heißen können. Ziel der Veranstalter war es, die aktuelle Diskussion um Unternehmensdesigns der Zukunft, nachhaltige Unternehmensführung sowie die Innovationsdynamik von Organisationen einzuordnen. Eingeladen waren hochkarätige Referenten aus Politik, Wirtschaft und Hochschule.

 

Warum Unternehmensstrukturen ändern, die erprobt und erfolgreich sind?

Die vereinende These aller Redner und Podiumsdiskutanten lässt sich so zusammenfassen: Unternehmen, die demokratisch organisiert sind, können besser auf die Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung reagieren. Vier Entwicklungen begründen diese These:

  1. Ein Großteil der Menschen, die jetzt und in den kommenden Jahren beruflich in die Unternehmen einsteigen, sind in einer vernetzten, sprich digitalen Welt aufgewachsen. Hier gelten und galten andere Spielregeln als in den hierarchischen Strukturen vieler Unternehmen. Mitbestimmung, Einflussnahme, Partizipation sind Werte, die täglich von dieser jungen Generation eingeübt werden. Sie wollen diese für sie selbstverständlichen Güter im beruflichen Alltag weiter verwirklichen. Unternehmen, in denen Entscheidungen top-to-down durchgedrückt werden, widersprechen dieser Lebenseinstellung.
  2. Niedrigere Kosten, kürzere Innovationszeiträume und unübersichtliche Marktstrukturen erhöhen den Veränderungsdruck auf Unternehmen: Lange Entscheidungswege, zum Beispiel von der Marktanalyse in die Vorstandsetage und zurück in die Produktentwicklung, sind da der falsche Ansatz. Auch hier spricht eine Nivellierung der Entscheidungsstrukturen für größeren unternehmerischen Erfolg.
  3. Digitale Technologien machen nicht nur Mitbestimmung einfacher. Auch der Anteil der Belegschaft, die sich für den Unternehmenserfolg verantwortlich fühlen, steigt an. „Wer gefragt wird, denkt mit“, so das Fazit eines Speakers.
  4. Anknüpfend an das Schwarm-Intelligenz-Modell belegen Untersuchungen, dass Gruppenentscheidungen bessere Resultate hervorbringen als Einzelentscheidungen. Unternehmen, in denen die Beteiligten aufeinander eingingen, sich zuhören und Stimmungen erkennen würden, könnten daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen.

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Dass jede Medaille bekanntlich zwei Seiten hat, trifft auch für die Diskussion um eine menschlichere Arbeitswelt zu. Als Denkanstoß sei auf diese Begriffspaare hingewiesen:

 

Empowerment vs. Commitment

Wird Verantwortung übertragen, muss sich der Empfänger auch dazu bekennen. Verantwortung kann nicht, wenn sie auf mehreren Schultern ruht, ins Nebulöse verschoben werden.

 

Egoismus vs. Altruismus

Persönlicher Ehrgeiz und der Wille zur Macht sind für die Verwirklichung mancher Lebenswege entscheidend. Wenn diese menschlichen Eigenschaften in demokratischen Unternehmen nicht mehr gefragt sind, wie schafft man es, diese Charaktere in das Unternehmensgefüge einzubinden?

 

Kontrolle vs. Vertrauen

Mit digitalen Daten können Mitarbeiter geführt und Aufgaben gesteuert werden. Allerdings können diese Techniken auch genutzt werden, um nicht-sichtbare Machtverhältnisse zu festigen.

 

sozialer Druck vs. individuelle Wünsche

Wenn Mitarbeiter Urlaubs- oder Gehaltsfragen mitbestimmen, ist das zu begrüßen. Allerdings haben erste Versuche in Unternehmen auch gezeigt, dass der damit aufgebaute Gruppendruck viele Mitarbeiter davon abhält, eigene Interessen durchzusetzen. Mehr Überstunden und weniger Urlaubstage waren die Folge.

 

Wie Unternehmen mit Empathie erfolgreicher werden

In den meisten Unternehmen werden strategische Entscheidungen aufgrund von Statistiken und Prognosen getroffen. Daten sind natürlich eine wichtige Grundlage, doch gerade in der Produktentwicklung sowie in Verkauf und Vertrieb wird ein Aspekt oft vergessen: die Bindung zum Kunden. Um hier fundierte Entscheidungen treffen zu können, müssen Unternehmen in der Lage sein, sich in Ihre Kunden zu versetzen. Sie brauchen Empathie.

 

Unternehmen und Empathie – Was soll das?

Woher wissen Unternehmen, was Kunden wollen? In der Beantwortung der Frage liegt der Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Aber wie kann dabei das Verständnis für einen Begriff, der in der Verhaltensforschung und Psychologie zuhause ist, helfen? Empathie ist die Fähigkeit, Gefühle, Motive und Persönlichkeitsmerkmale anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen.

Es ist einfacher, sich in eine Person hineinzuversetzen, die uns ähnlich ist und die gleiche Denkweisen teilt oder vergleichbare Interessen verfolgt. Auch wenn wir über diese Person nichts wissen, können wir uns vorstellen, wie sie in bestimmten Situationen reagieren würde. Weil sie ganz einfach so agiert, wie wir es wahrscheinlich auch tun würden. Wenn Unternehmen also empathische Verbindungen zu ihren Kunden aufbauen wollen, sollten sie Menschen einstellen, die der Zielgruppe ähnlich sind. Zugegeben ist das für einen Automobilhersteller einfacher als für einen Spielzeughersteller… Niemand kann wirklich wollen, dass Mattel, Steiff oder Ravensburger 10-Jährige als Produkttester einstellt.

 

Wie der Kunde ins Unternehmen kommt

open_empathy_organisationsDeshalb ist es so wichtig, dass sich Unternehmen zu open empathy organizations wandeln, wie Dev Patnaik feststellte. Diese Unternehmen erwarten von ihren Mitarbeitern, dass sie die Rolle des Kunden einnehmen. Um den Perspektivwechsel zu erleichtern, bedarf es spezieller Förderung. Nike stellt den Mitarbeitern beispielsweise Basketballplätze, Fussballfelder oder Laufbahnen zur Verfügung, um die eigenen Produkte zu testen, zu bewerten und zu hinterfragen. Bei Netflix erhalten neueingestellte Mitarbeiter ein einjähriges Abonnement des Mediendienstes. Das Personal wird damit nicht nur zum Gestalter der Dienstleistung, sondern auch zum Kunden und ersten Kritiker. Lob, Verbesserungsvorschläge oder Beschwerden über die Funktionsfähigkeit können direkt an die zuständigen Abteilungen weitergeleitet werden.

 

Wie durch Empathie neue Geschäftsfelder entstehen

Unternehmen, die ihr Produkt aus einer anderen Perspektive betrachten, schaffen Raum für Innovationen und Wachstum. Kodak ist ein gutes Beispiel für ein wandlungsfähiges Unternehmen. Jahrzehntelang prägte die Herstellung von schwarz-weiß und Farbfilmen den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Als Fotografien zu einem wichtigen Erinnerungsmedium wurden, spezialisierte sich das Unternehmen darauf, das Sammeln von Schnappschüssen so einfach wie möglich zu gestalten. Einwegkameras waren ein großer kommerzieller Erfolg. Die digitale Fotografie hätte zum Totengräber des Unternehmens werden können. Allerdings fanden Kodak-Mitarbeiter eine Antwort auf die Frage, wie digitale Bild-Erinnerungen für die Nachwelt gesichert werden können. Hobbyfotografen bekamen durch Drucker, Tintenpatronen und Fotopapier ihr eigenes günstiges und einfaches Foto-Entwicklungsstudio. Heute ist Kodak als Druckmaschinenhersteller im B2B tätig.

 

Empathie wirkt auch nach innen

Mitarbeiter, die das Gefühl haben, dass ihre berufliche Aufgabe unwichtig ist, erreichen nicht ihr volles Leistungspotenzial. Auf Dauer kann dies zu einer echten Belastung der Person und des Unternehmens führen. Beschäftigte, die den Zweck ihres Tuns vor Augen haben, sind engagierter und glücklicher. Binden Sie deshalb die interne und externe Produktkommunikation an reale, alltägliche Probleme oder Personen, die aus dem Produkt oder der Dienstleistung einen Vorteil ziehen.

 

Fazit:

Die Fähigkeit, sich in Andere hineinzuversetzen, hilft, deren Bedürfnisse zu erkennen. In der Personalführung, in Produktion und Vermarktung eröffnen sich damit neue Ansätze für eine effektive und erfolgreiche Unternehmensführung.