Meditieren im Management: Achtsam eine Rosine essen

Ich sitze auf einer Yogamatte und noch turnen die Gedanken wie kleine Äffchen durch meinen Kopf. Sie schwingen sich von Ast zu Ast und sind hauptsächlich mit dem beschäftigt, was gestern war oder was in der Zukunft sein wird. Der Kundentermin, der morgen ansteht; das gelungene Seminar, das ich gestern durchgeführt habe und das halbe Buch, das noch unvollendet in meiner Schreibtischschublage liegt…

 

Aber das soll sich gleich ändern, denn die Aufgabe in diesem Achtsamkeitstraining besteht darin, achtsam eine Rosine zu essen. Achtsam eine Rosine essen? Das macht mich neugierig, ich bin gespannt darauf, wie das funktioniert und gleich darauf erfahre ich von der Trainerin, dass wir die Rosine mit allen Sinnen wahrnehmen sollen.

 

Die Rosine liegt auf meiner Handfläche und zunächst geht es nur darum, sie möglichst aufmerksam anzuschauen. Welche Farbe hat sie? Ist die Farbe einheitlich oder ist sie gesprenkelt? An welcher Stelle war der Stiel festgewachsen? Welche Form hat sie? Eher rund oder oval? Wie sehen die einzelnen Runzeln aus? Und während ich mir die Rosine so anschaue, registriere ich, dass die Äffchen ihre Aktivität reduziert haben.

 

Nun geht es darum, die Rosine zu hören. Ja, Sie haben richtig gelesen – die Rosine hören. Nicht etwa, dass sie zu mir spricht. Im nächsten Schritt halte ich die Rosine an mein Ohr und nehme wahr, welches Geräusch entsteht, wenn ich sie zwischen den Fingern bewege. Kaum zu glauben, aber ich kann wirklich etwas hören. Als nächstes nehme ich den Geruch der Rosine wahr und mir wird bewusst, dass sie süßlich und leicht schwefelig riecht.

 

Nun verstärken die betriebsamen Äffchen wieder ihre Aktivität, und ich werde ungeduldig. Das Ganze dauert irgendwie ganz schön lange, meine Neugierde ist erst mal befriedigt und mir ist gerade der Sinn abhanden gekommen. Wozu genau soll das nochmal gut sein? Aber es geht ja noch weiter. Nun führe ich die Rosine ganz langsam zum Mund und halte sie mit den Lippen, denn nach dem Hören ist nun das Fühlen dran. Wie fühlt sich die Rosine an? Wie ist ihre Textur? Ich nehme wahr, wie empfindsam die Haut an den Lippen ist. Die Äffchen sind wieder ruhiger geworden und erst dann zerkaue ich die Rosine im Zeitlupentempo – ganz langsam.

 

Der Selbstversuch hat mich überzeugt, denn schließlich bemerke ich einen beruhigenden Effekt. Meine Wahrnehmung scheint konzentrierter und fokussierter zu sein. Ich finde eine Bestätigung dessen, was Achtsamkeit bewirken soll.

 

Achtsamkeits-Meditation – ein Weg zur Gelassenheit in stressigen Zeiten

Das Konzept der Achtsamkeit stammt ursprünglich aus dem Buddhismus. John Kabat-Zinn, amerikanischer Professor für Medizin, hat es zu einer wirksamen Methode der Stressreduktion weiterentwickelt (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR). Bei dieser Form der Meditation werden die Teilnehmenden systematisch darin geschult, den Augenblick, den Moment achtsam wahrzunehmen – so wie er jetzt ist. Wer etwas achtsam tut, agiert im Hier und Jetzt und kann nicht darüber nachdenken, was gestern war oder morgen sein wird. Er erlebt den Moment, ohne ihn zu bewerten. Und schließlich geht es darum, eine grundlegende innere Haltung des Wohlwollens zu entwickeln.

 

Die größte Herausforderung beim Meditierenlernen sind allerdings die betriebsamen Äffchen. Unser Gehirn sendet ständig Reize aus und ein Gedanke jagt den anderen, das wiederum hält uns davon ab, im Hier und Jetzt zu sein. Es wäre nicht im Sinne der Achtsamkeit, diese Gedanken zu bekämpfen oder unbedingt loswerden zu wollen. Es geht vielmehr darum, sie geduldig zu zähmen, oder um im Bild bei den Äffchen zu bleiben, sie freundlich zu begrüßen und sie dann ziehen oder vorbeiturnen zu lassen.

 

Achtsamkeit ist wohl die am besten beforschte Form der Meditation, denn seit den 1990er Jahren belegen zahlreiche Studien, dass sie zu mehr Entspannung, Konzentration und Geduld führt. Und eine aktuelle Studie von Barbara Fredrickson, Professorin für Psychologie an der University of North Carolina, belegt, dass Menschen, die meditieren, eine Steigerung ihrer positiven Gefühle erleben, was wiederum einen Aufbau ihrer inneren Ressourcen und Kraftquellen verstärkt.

 

Und mittlerweile ist Meditation auch im Management angekommen, denn sie gilt auch hier als wirkungsvolle Methode, um den Geist klar, fokussiert und leistungsfähig zu halten. Experten gehen laut des Weiterbildungsmagazins managerseminare davon aus, dass Meditation auch zukünftig in der Wirtschaftswelt eine wichtige Rolle spielen wird, denn sie stellt eine wirksame Form der Burnout-Prophylaxe dar.

 

Unser Gehirn lässt sich trainieren wie ein Muskel und wer langfristig von Meditation profitieren will, muss, nachdem er es erlernt hat, bereit sein, regelmäßig zu üben. Das braucht ja nicht unbedingt das achtsame Essen einer Rosine sein, denn das lässt sich ja nicht so gut in den Büroalltag integrieren. Stattdessen gibt es viele Mini-Übungen und kleine Rituale, die sich gut in den Alltag integrieren lassen.

 

Achtsamkeits-Minis für den Alltag

Achtsam Auto fahren

Wenn Sie an roten Ampeln anhalten, können Sie die Zeit gut für eine Achtsamkeitsübung nutzen. Nehmen Sie Ihren Atem wahr und machen Sie sich bewusst, wie er ein- und ausströmt. Schauen Sie sich die Bäume und den Himmel an. Registrieren Sie Ihre Gedanken und lassen Sie sie anschließend vorbei ziehen.

Achtsam Treppen steigen

Dass Treppen steigen wegen der körperlichen Bewegung gesünder als Aufzug fahren ist, liegt auf der Hand – und nun können Sie auch noch etwas für Ihren Geist tun. Konzentrieren Sie sich bewusst auf die Handlung des Treppensteigens. Spüren Sie die Stufen unter ihren Füßen. Spüren Sie in Ihren Körper hinein und nehmen Sie wahr, welche Muskeln besonders aktiv sind. Wo in Ihrem Körper spüren Sie Anstrengung? Und wo Leichtigkeit?

Achtsam den Tag beginnen

Setzen Sie sich, bevor Sie aufstehen, auf die Bettkante und nehmen Sie die aufrechte Haltung Ihres Körpers bewusst wahr. Horchen Sie in sich hinein und lassen Sie die ersten Gedanken des Tages bewusst aufziehen. Vielleicht gibt es auch noch eine Erinnerung an Träume der letzten Nacht. Spüren Sie in Ihren Körper hinein. Welche Stellen des Körpers fühlen sich noch müde an und welche Stellen sind schon ganz wach? Nehmen Sie all dies zur Kenntnis, ohne etwas verändern zu wollen, sondern mit Akzeptanz. So ist es jetzt.

Tägliche Achtsamkeit

Versuchen Sie zunächst dreimal am Tag drei Minuten ganz achtsam zu sein. Nehmen Sie dann bewusst wahr, was jetzt gerade ist. Hören Sie den Regen, wie er an die Fensterscheiben klopft, oder lauschen Sie dem Vogelgezwitscher oder nehmen Sie unterschiedlichen Grüntöne draußen in der Natur bewusst war.

Peer Steinbrück – das „britische Nashorn“

„Herr Frehmann, wer ist denn aus Ihrer Sicht ein guter Redner?“. Diese Frage stellen mir Teilnehmer in einem Rhetorik- oder Präsentationstraining des Öfteren. Neben anderen nenne ich dann gerne Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück – ein Mann, ein Wort! Sprich, was Peer Steinbrück sagt, das meint er auch. Und das ist grundsätzlich gut so. Denn das macht ihn authentisch: Er ist echt, er ist natürlich, er ist ein Original, er ist glaubwürdig.

 

Die Bertelsmann-Stiftung hat im Jahr 2009 eine repräsentative Umfrage gemacht. Hier sollten die Befragten unter anderem sagen, welche Eigenschaft ihnen bei Politikern am wichtigsten sei. Die Antwort mit klarer Mehrheit: Glaubwürdigkeit. Eine Eigenschaft übrigens, die Angela Merkel immer wieder hohe Werte in Polit-Barometern bringt. Das heißt, sowohl Peer Steinbrück als auch Angela Merkel sind authentisch und glaubwürdig. Nur jeder auf seine spezielle Art.

 

Peer Steinbrück ist für mich ein redegewandter Agent Provocateur. Er ist inhaltlich und argumentativ bestens informiert und deshalb selbst kaum zu packen. Seine daraus gewonnene Sicherheit nutzt er, um rhetorisch anzugreifen. Vor allem mit unterschiedlichen Zahlen, Daten und Fakten hämmert er den Nagel der Kritik immer tiefer ins Gewissen der anderen. Er führt ihnen ihre Fehler und ihr stümperhaftes Verhalten gnadenlos vor Augen. Und sein hin und wieder sichtbares schelmisches Lachen signalisiert, dass es ihm Spaß macht. Die Folge: Seine „Gegner“ verstummen oder reagieren unsachlich. So geht Steinbrück gestärkt aus der Debatte mit dem Wissen: Ich bin Peer der Gute.

 

Vor allem nimmt er kein Blatt vor den Mund und redet frei Schnauze. Moritz von Uslar hat Steinbrück in einem Interview des Zeit-Magazins gefragt, ob es „sein Trick“ sei, dass er wirklich etwas sage, wenn er etwas sage. Steinbrücks Antwort: „Das ist kein Trick, sondern dieses Geschwafel passt einfach nicht.“

 

Seine freie Schnauze zeigt sich, indem er provoziert und schlagfertig reagiert. Er bringt Themen kurz und verständlich auf den Punkt. Er redet Klar-Text. Er redet frei, betont wichtige Worte und Aussagen und setzt gezielt Wirk-Pausen ein. Füllwörter sucht man vergeblich bei ihm. Versprecher kommen vor, sind aber selten. Er hat stimmliche Präsenz, dabei eine klare Aussprache und ein angenehmes Redetempo. Rhetorisch spielt er in der Champions-League.

 

Beim Bundeskongress der Jusos 2012 begrüßte er einige der Anwesenden mit: „Alle Ungläubigen begrüße ich auch sehr herzlich.“  Er spricht zu Beginn offen an, dass ein Teil der Delegierten nicht mit seiner Kandidatur einverstanden ist. Er nimmt damit einer kritischen Diskussion den Wind aus den Segeln und traut sich das, was im Raum schwebt, klar zu benennen. Das ist sehr geschickt und unterstreicht seine Souveränität.

 

Als es im Bundestag um das Betreuungsgeld ging, bezeichnete er dieses als „schwachsinnig“.  Seine Parteigenossen nannte er „Heulsusen“. Die Entscheidungen der Bundesregierung qualifiziert er gerne als „Etikettenschwindel“ und attestiert ihr eine schlechte Regierungsbilanz: „Jede Frittenbude in Deutschland wird besser gemanagt als diese Energiewende in diesem Land.“

 

Provokation ist ein wirkungsvolles rhetorisches Stilmittel, um Menschen aus der Reserve zu locken und ins Gespräch zu kommen. Peer Steinbrück setzt dieses Mittel wunderbar ein. Was ihm manchmal fehlt, ist Stil und die richtige Dosis. Und dann kommt das britische Nashorn zum Vorschein. Wie ein Nashorn kommt er langsam in Gang, nimmt dann Fahrt auf und ist nicht mehr zu bremsen. Das Ganze unterfüttert er dann noch mit einer ordentlichen Portion Ironie nach britischem Vorbild. (Übrigens sind Nashörner aus diesem Grund Steinbrücks Lieblingstiere.)

 

Andreas Bornhäußer bezeichnet Steinbrück deshalb in einem Artikel der Zeitschrift wirtschaft & weiterbildung als „rhetorischen Polter-Peer“. Er empfiehlt ihm, Provokationen besser zu dosieren, denn es gehe auch darum Wertschätzung und Wohlwollen zum Ausdruck zu bringen. Dem stimme ich zu, denn zu wenig davon wirkt stillos, unhöflich und arrogant.

 

Hans-Uwe L. Köhler behauptet, genau Steinbrücks arrogante Kompetenz mache ihn attraktiv als Redner. Das ist richtig. Redner, die anecken und den Mut haben, sich mit gestandenen Persönlichkeiten anzulegen und ihnen die Leviten zu lesen, sind erfolgreich.Steinbrück wird diese Seite nicht komplett ablegen können, es gehört zu ihm und macht ihn authentisch. Dennoch sollte er sein arrogantes Verhalten auf ein Minimum reduzieren. Laut einer Forsa-Umfrage von Anfang 2013 würden nur noch 22 Prozent der Bürger Peer Steinbrück wählen. Die zwei Gründe dafür: Er sei unsympathisch und arrogant. Und Arroganz ist die Basis für Antipathie.

 

So überragend Steinbrück rhetorisch ist, so durchschnittlich ist seine körpersprachliche Wirkung. Die Körpersprache von Peer Steinbrück sagt eindeutig, dass wir es mit einem standfesten und von sich überzeugten Menschen zu tun haben: aufrechter Gang, gerade Schultern, nach vorne gerichtete Kopfposition. Er strotzt vor Selbstbewusstsein, es fließt bei ihm durch jede Pore. Und hier tanzt Steinbrück auf rutschigem Parkett, denn der Sprung vom Selbstbewusstsein zur Arroganz ist manchmal ein kleiner.

 

Was ihn sympathischer machen würde, wäre ein Lächeln. Er kann es, wenn er will. Er will aber selten. Wenn er es tut, wirkt es gelassen und authentisch. Gut zu sehen in der ARD-Reportage „Steinbrücks Welt“ von 2012. Dort ist er weniger in der Rolle des aktiven Politikers gefragt. Und genau das lässt ihn locker, entspannt und fröhlich erscheinen. Schlüpft er in die Rolle des Politikers, der dann auch noch Rede und Antwort stehen muss, verliert er diese Lockerheit und der Terrier kommt ans Tageslicht: verbissen, bissig und beißend. Herunterhängende Mundwinkel und zusammengepresste Lippen verstärken dies und machen keinen sympathischen Eindruck. Zusammen suggerieren sie den Eindruck, dass er unzufrieden, verärgert und genervt ist.

 

Seine Gestik ist eindimensional – ähnlich wie bei Angela Merkel. Beide sind sparsam und eintönig in ihren Hand- und Armgesten. Was bei Angela Merkel das „Dach“ der Hände vor dem Körper ist, sind bei Peer Steinbrück die Arme, die parallel nach oben und unten schwingen. Diese Geste setzt er ein, wenn ihm etwas wichtig ist. Dann betont und untermalt er seine Worte. Mehr passiert aber auch nicht. Abwechslungsreichere Gesten würden ihn dynamischer, offener und lockerer wirken lassen. Wenn Steinbrück sitzt, fällt sein Trommeln mit den Fingern auf. Ein klarer Hinweis darauf, dass er gereizt und ungeduldig ist und vielleicht auch damit provozieren will.

 

Mein Fazit:

Peer Steinbrück sollte grundsätzlich so bleiben, wie er ist. Ein kleiner Schliff an seiner Rhetorik, ein etwas größerer an seiner Körpersprache – und alles ist okay. Seine Ecken und Kanten sowie seine unbequeme Art sollte er auf jeden Fall behalten. Das ist sein Markenzeichen, das macht ihn authentisch. Wie es wirkt, wenn jemand versucht sich alle Ecken und Kanten abzuschleifen, konnten wir 2002 an Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten sehen. Er wirkte unnatürlich, gekünstelt und fremdgesteuert.

 

Inhaltlich fehlt Steinbrück noch eine Kernbotschaft. Auch da liegt eine Chance für ihn. Eine gute Kernbotschaft spinnt einen für alle erkennbaren roten Faden und erreicht die Wähler emotional. Die SPD steht für Soziale Gerechtigkeit, Peer Steinbrück für Wirtschaftskompetenz. Viele Journalisten halten dies für ein unüberwindbares Problem. Das sehe ich ganz anders: Vielleicht lässt sich genau aus diesem Gegensatz etwas Neues spinnen. Gegensätze sind immer auch eine Chance auf positive Erfolge.

Kein Recruiting ohne Social Media?! Sechs Fragen an Christoph Athanas von Meta HR

Die Social Media sind derzeit in aller Munde und werden auch von Personalabteilungen teilweise schon zur Gewinnung neuer Mitarbeiter genutzt. Doch ihr Einsatz als Recruiting Tool ist umstritten. Wir haben Christoph Athanas, Social Media HR Experte und Partner des IME, zu seiner Einschätzung befragt.

1. Wie werden nach Ihrer Erkenntnis Social Media von den Personalabteilungen bislang hauptsächlich genutzt?

Soziale Medien bieten eine Reihe von interessanten Einsatzmöglichkeiten im HR-Kontext. Social Media können z.B. für aktive Personalsuche und –ansprache von passiven Job-Kandidaten genutzt werden (sog. Active Sourcing), indem Personaler die Netze nach passenden Talenten durchsuchen. Weiterhin ist es beliebt das eigene Unternehmen unter Karrieregesichtspunkten in sozialen Netzwerken zu präsentieren. Dazu nutzen Unternehmen beispielsweise Facebook-Karrierefanpages oder Xing-Unternehmensprofile. Dies sind Maßnahmen zur Employer Brand Kommunikation. Ziel ist es hier die Arbeitgebermarke aufzubauen und im sozialen Web bekannt zu machen. Außerdem wollen Unternehmen mit potenziellen Bewerbern in Beziehung treten. Dies wird als Aufbau von Talent Relations bezeichnet. Schließlich gibt es unterschiedliche Facetten von ad-hoc Recruiting-Aktionen, wo mittels sozialer Medien einzelne offene Stellen besetzt werden sollen. Bekannt geworden sind in dem Zusammenhang etwa einzelne Recruitingvideos via YouTube.

2. In der Trendanalyse der Zeitschrift Personalwirtschaft für 2013, den „trends 13“ heißt es, dass immer noch 50% der Unternehmen bislang keine Berührungspunkte zu Social Media haben. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?

Nun ja, es gibt mittlerweile viele Studien und Befragungsergebnisse zur Social Media Nutzung. Diese Berichte kommen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. Insofern sollte man nicht zu sehr auf irgendwelche Prozentzahlen schauen. Deren Zahlen sind sehr abhängig von Methode und Umfang der jeweiligen Befragung. Was sich aber sicher sagen lässt ist, dass es noch immer eine beachtliche  Gruppe von Unternehmen gibt, welche sich mit Social Media schwer tun. Diese Unternehmen stehen mehr oder weniger am Rand und beobachten die Entwicklungen, welche andere Unternehmen im Feld der sozialen Medien bereits aktiv in Angriff nehmen.
Grob kann man die Intensität der Social Media Aktivitäten von Unternehmen in vier Gruppen einteilen: Da gibt es allen voran die Pioniere, welche bereits früh mit dem Thema aktiv experimentiert haben und nun meist schon gute Strategien und Lösungen entwickelt haben. Das ist eine sehr kleine Zahl von Unternehmen. Sie bieten auch im HR-Bereich meist die best practices, über welche Blogger berichten oder die auf Konferenzen besprochen werden. Dann gibt es die sogenannten „early adopter“, eine größere Reihe Unternehmen, welche bereits vor einiger Zeit den Pionieren nachfolgten und nun dabei sind Social Media z.B. in der Employer Brand Kommunikation zu implementieren. Die nächste große Gruppe sind die Unternehmen aus der Reihe der sog. „late adopter“, also die späten Nachfolger. Diese beginnen nun langsam das Thema auch praktisch zu entwickeln und nähern sich an. Oft sind deren Lösungen aber noch inselhaft und es wird mit „angezogener Handbremse“ agiert. Hier finden sich eine Reihe Mittelständler. Letztlich gibt es die noch gar nicht aktiven Unternehmen. Ob das wirklich 50% sind kann ich nicht sagen. Sicher sind es noch einige.

Allerdings: Berührungspunkte mit Social Media haben potenziell auch diese Unternehmen, mindestens dadurch, dass auch über sie im Social Web gesprochen wird – ob sie es wollen oder nicht.

3. Social Media werden zwar laut einer Studie in der o.g. Zeitschrift häufiger genutzt als Online-Stellenanzeigen und die Karrierewebseiten der Unternehmen, sind aber trotz allem nicht so effektiv wie diese, wenn es um die tatsächliche Stellenbesetzung geht. Wie kommt es zu diesem Missverhältnis?

Wie ich schon in meiner ersten Antwort ausgeführt habe, ist das Ziel von Social Media in der Personalbeschaffung nicht immer gleich die direkte Stellenbesetzung. Da sich viele Social Media Karriereauftritte eher um Arbeitgebermarkenkommunikation drehen, ist das unter Umständen die Erklärung. Es muss kein Widerspruch sein, wenn sich Bewerber zunächst, z.B. via Facebook oder Arbeitgeberbewertungsportal, über einen Arbeitgeber informieren, sich dann aber – zur passenden Zeit – via Stellenanzeige in einer Jobbörse bei eben jenem Arbeitgeber bewerben.

4. Wie positionieren Sie sich zu der folgenden Aussage in der Studie:

Erst mit Social Media starten wenn…

a) … die Sicherstellung geeigneter Instrumente zur Erfolgsmessung vorhanden ist (Qualität der Follower und Fans prüfen).
b) … die eigene Karrierewebsite steht: Sie ist das Zentrum aller Social Media Aktivitäten.

Die Aussage a) finde ich grenzwertig. Natürlich soll und muss auch in den Social Media Controlling betrieben werden um steuern und optimieren zu können. Hier aber klingt es für mich, als würde erst nach dem Geschwindigkeitsmesser gerufen werden, noch bevor der Motor jemals in Betrieb war… Ich würde also mit definierten Zielen und einer klaren Strategie in die Social Media Nutzung starten und dann zügig ein passendes Reporting zur Erfolgsmessung aufbauen. So herum macht es meines Erachtens Sinn.

Aussage b) kann ich nur voll zustimmen: Die Karrierewebseite sollte das Kraftzentrum aller Social Recruiting Aktivitäten sein. Alle andere Plattformen oder Netzwerke sollten ihr Bewerber zuführen und alle anderen Aktionen sollten hier gebündelt werden. Wichtiges Argument hierbei ist nicht zuletzt, dass Unternehmen auf ihrer Karrierewebseite immer „Herr im Haus“ sind und frei von Einschränkungen, wie sie beispielsweise Facebook vorschreibt.

5. Bei den Social Media Plattformen für Recruiting ist XING derzeit am stärksten verbreitet. Denken Sie, dass XING diese Position weiter ausbauen wird oder gewinnen andere Plattformen an Bedeutung?

Ja, vermutlich wird Xing im deutschsprachigen Raum diese Position verteidigen. Es wird jedoch auch davon abhängen, ob es Xing gelingt, weiter ein attraktives Produktangebot für Recruiting zu bieten. Die neue Form der sogenannten Xing-Talentmanager muss erst noch volle Akzeptanz finden. Ich persönlich finde es beispielsweise schade, dass diese Lösung die schlankere Recruiter-Mitgliedschaft abgelöst hat. Mal sehen was passiert. Sicher ist aber, dass auch LinkedIn, der große internationale Wettbewerber von Xing, in Deutschland immer mehr Bedeutung gewinnt.

6. Letzte Frage: Wie lautet Ihr persönlicher Standpunkt zu der Frage, ob Social Media als dialogorientierter Kanal als Mittel zur Stellenbesetzung zweckmäßig ist, wo doch eine Ausschreibung in jedem Fall zunächst eine Einwegkommunikation darstellt?

Das stimmt: Soziale Medien leben vom Dialog und eine Stellenausschreibung im klassischen Sinne ist eine One-Way-Message. Allerdings bieten soziale Medien so viele Chancen zum Dialog lange VOR der Reaktion auf eine Stellenausschreibung, dass eine Bewerbung dann am Ende eines unter Umständen längeren Prozesses der Auseinandersetzung von Bewerber und Unternehmen miteinander steht.
Eine Reihe Unternehmen scheuen dies noch, weil es nach Aufwand klingt und die Einweg-Kommunikation mit dem schlichten Schalten von Anzeigen vermeintlich so schön einfach ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Gute Dialoge und eine authentische und transparente Auseinandersetzung von Bewerbern und Unternehmen miteinander sind letztlich wertschöpfend für beide Seiten. Die passenden Bewerber bewerben sich wirklich, sind intrinsisch motiviert und fühlen sich von dem Unternehmen gut und fair behandelt. Ein solches Unternehmen bekommt mehr gute Leute und weniger unpassende. Schließlich können via soziale Medien auch immer mehr Mitarbeiter leichter selbst etwas für die Personalbeschaffung im Sinne ihres Arbeitgebers tun (Mitarbeiterempfehlungen). Die formale Stellenausschreibung kann und wird bleiben, aber gelungenes Social Media Recruiting bettet sie ein und macht sie zu einem kleinen Infobaustein in einem großen Kandidaten-Arbeitgeber-Dialog.

Über Christoph Athanas

Christoph Athanas, Trainer im Auftrag des imeChristoph Athanas (Jg. 1971) ist Gründer und Geschäftsführer der metaHR Unternehmensberatung GmbH. Er berät Unternehmen darin, wie diese die passenden Talente finden, fördern und binden können.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Optimierung der Personalbeschaffung. Teil davon ist gerade auch der Einsatz von Social Media für Recruiting und Employer Branding. Christoph Athanas führt zu diesen Themen Workshops durch und berät Unternehmen darin, ein passendes Einstiegsszenario für die Nutzung sozialer Netzwerke zu entwickeln und umzusetzen. Er selbst ist im Social Web vielfältig präsent (Twitter, Xing, Facebook) und aktiv als Autor des metaHR Human Resource Blogs.

 

Christoph Athanas ist Diplom Sozialwissenschaftler und verfügt über langjährige Erfahrungen als Organisationsentwickler und Führungskraft. Neben dem Recruiting gilt seine Aufmerksamkeit der Entwicklung von Nachwuchsführungskräften. Er ist Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin. Darüber hinaus ist er einer der beiden Organisatoren der HR BarCamps in Deutschland, einem innovativen, nicht-kommerziellen Konferenzformat für HR-Trends mit Teilnehmern aus namhaften Firmen.

 

Was treibt uns an… zu bloggen

 

Neue Internetseite – neuer Glanz. Wir haben uns im letzten Jahr zu einem kompletten Relaunch entschlossen und das Ergebnis haben Sie nun vor sich. Design und Struktur wurden komplett überarbeitet, aber Sie werden Bekanntes sicherlich wiedererkennen. Oder etwa nicht? Dann lassen Sie es uns wissen! Unsere Seite soll Ihnen jetzt noch schneller einen Überblick über unsere Seminarthemen bieten und über unseren Blog möchten wir noch direkter mit Ihnen in den Austausch gelangen.

 

Das Bloggen sehen wir als Möglichkeit, uns zu unseren Trainingsthemen jenseits der üblichen Seminarbeschreibungen, die stets kurz und informativ zu sein haben, zu äußern. Dabei sind persönliche Gedanken und Meinungen zu aktuellen Themen gefragt, gern auch abseits vom Common Sense, kontrovers und provokativ. Erfahrungsberichte und Innenansichten aus dem Training. Einschätzungen zu Trends und Flops.

 

Wir hoffen, Ihnen damit ergänzend zu unseren Seminaren ein Forum für informativen Austausch zu bieten.