Das Glück bei der Arbeit

So lautet der Titel eines jüngst erschienenen Buches, das Karin Kaudelka und Gerhard Kilger herausgegeben haben. Glück bei der Arbeit? Was denken Sie, wenn Sie den Titel lesen? Ich bin jedenfalls über den Titel „gestolpert“. Ob er wohl zynisch gemeint ist, war mein erster Gedanke. Und dann hat der Titel natürlich meine Neugierde geweckt.

Arbeit gilt ja einem weit verbreiteten Verständnis zu Folge eher als Mühsal und Plackerei, denn als Freude oder gar Glück. Ich wollte mich nie damit abfinden, denn ich finde, dafür verbringt man viel zu viel Zeit mit der Arbeit, um nur außerhalb der Arbeit glücklich zu sein. Da bliebe einfach zu wenig Zeit übrig. Also habe ich immer darauf bestanden, dass meine Arbeit Spaß macht und Freude bringt, und meistens gelingt das auch.

Bisher dachte ich immer, das sei meine persönliche etwas naiv-romantische Vorstellung, dass Arbeit unbedingt Spaß machen soll. Denn schließlich belegen ja zahlreiche Studien, dass in der Realität das Gegenteil der Fall ist. Man denke nur an die viel zitierte Gallup-Studie, aus der immer wieder hervor geht, dass Arbeitszufriedenheit in deutschen Unternehmen eher die Ausnahme ist. Der letzten Studie zur Folge sind nur 15 % der Mitarbeiter engagiert und fühlen sich emotional an das Unternehmen gebunden. Und 61 % der Mitarbeiter machen Dienst nach Vorschrift, also gerade mal so viel wie nötig. Weitere 24 % haben keinerlei emotionale Bindung an das Unternehmen, sondern sie sind nur da, weil sie noch nichts Besseres gefunden haben. Darüber hinaus verhalten sich diese 24 % der Mitarbeiter destruktiv und arbeiten sogar aktiv gegen das Unternehmen.

Index: berufliches Engagement

Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen, beschreibt in einem Artikel der Zeitschrift Managerseminare (Heft 130, Januar 2009) drei Faktoren, die dazu führen, dass das persönliche Engagement und die intrinsische Motivation dahin schwinden:

  • Das sind zum einen Gewohnheit und der Leerlauf des Neugiersystems. Denn wenn dem Neugier- und Belohnungssystem im Gehirn die entsprechen Impulse fehlen, reagieren wir mit Frustration und Resignation.
  • Der zweite Faktor ist die Aktivierung von Angst und Stress. Angst ist eine Folge von Verunsicherung und Bedrohung. Wenn Menschen Angst haben, reagieren sie mit überlebenssichernden Notfallreaktionen: Angriff, Flucht oder Erstarrung. Es liegt auf der Hand, dass kreative und flexible Problemlösungen in diesem Zustand nicht möglich sind.
  • Und der dritte Faktor ist die Unterdrückung des Motivationssystems, und damit ist die intrinsische Motivation gemeint. Hüther betont: „Man kann keinen Menschen motivieren, sein kreatives Potenzial zu entfalten. Man kann ihn nur dazu einladen, ermutigen, vielleicht auch inspirieren. Die Lust mitzudenken und mitzugestalten lässt sich nicht anordnen oder verordnen. Was man aber schneller und nachhaltiger bewirken kann, als einem lieb ist, ist die Unterdrückung dieser Lust.“

Dies alles – das sagt uns der gesunde Menschenverstand – hat nichts mit Zufriedenheit, Freude oder gar Glück bei der Arbeit zu tun.

Arbeitszufriedenheit als Ausnahme ist jedoch nicht nur für den einzelnen Menschen und die Unternehmen ein brisantes Thema. Durch die seit Jahren steigende Anzahl psychischer Erkrankungen offenbart sich auch eine große gesellschaftliche Herausforderung. Der Volkswirt Mathias Binswanger weist in seinem Beitrag in dem oben genannten Buch darauf hin, dass es nicht um Einkommensmaximierung geht, sondern vielmehr darum, dass die Menschen eines Landes ein möglichst glückliches Leben führen können. Das ist seiner Auffassung nach die eigentliche Aufgabe der Wirtschaft. Vielleicht ist meine Vorstellung also doch nicht so naiv-romantisch?

Warum also ist es in den Unternehmen so schwierig mit der Arbeitszufriedenheit oder gar mit dem Glück bei der Arbeit? Hier zieht sich eine Erklärung wie ein roter Faden durch die Meinung vieler Experten. Solange man in den Unternehmen ausschließlich die externe Motivation fördert, wird das nichts mit dem Glück bei der Arbeit. Denn diese externen Anreize nutzen sich viel zu schnell ab. Die andere Seite, die intrinsische Motivation, kommt bisher zu kurz. Von innen heraus motiviert zu sein, bedeutet die Motivation aus der Tätigkeit selbst zu beziehen, weil sie beispielsweise Freude macht, weil sie sinnvoll ist oder weil ich damit einen wichtigen Beitrag zu einem größeren Ganzen leisten kann.

Andererseits lassen ein zu geringer Handlungsspielraum und fehlende Wertschätzung das Risiko psychisch zu erkranken eklatant ansteigen.

Gesund und zufrieden bei der Arbeit bleibt der, der erlebt, dass er Einfluss auf seine Tätigkeiten hat, etwas bewirken kann, sich wertgeschätzt fühlt und mit seinen beruflichen Perspektiven zufrieden ist. So lässt sich das Ergebnis einer Studie zum Thema betriebliche Fehlzeiten und psychische Erkrankungen von Professor Rainer Richter zusammenfassen.

Zudem zeigt das Buch immer wieder auf, dass die Wertschöpfung eines Unternehmens in zunehmendem Maße von der Zufriedenheit der Mitarbeiter abhängt.

Für das Management eines Unternehmens und die Führungskräfte ergeben sich daraus besondere Anforderungen. Denn es geht darum, sich von klassischen Methoden der Mitarbeiterführung zu emanzipieren und sich beispielsweise von einem überkommenen Kontrolldenken zu lösen. Mit Druck und Angst lässt sich allenfalls kurzfristig Leistung aus Menschen herausholen. Und das funktioniert auch nur so lange, wie der Druck aufrechterhalten wird, davon ist Gerald Hüther überzeugt. Damit Mitarbeiter zufrieden und leistungsfähig sind, braucht es eine andere Art von Führung. Hier sind Führungskräfte gefragt, die den Mitarbeitern größere Handlungsspielräume eröffnen, ihre Arbeit anerkennen und wertschätzen und die Sinn und Identifikation stiften.

Warum man sich hin und wieder von etwas trennen sollte

Für viele meiner Kollegen gehört die Zigarette draußen vor dem Eingang unseres Unternehmens zum festen kollegialen Ritual; für mich ist es der Blick in den Kühlschrank, wenn ich gegen Mittag nach Hause komme. Weder der Weg zur Arbeit noch die Wahl des Bäckers werden bei den meisten meiner Bekannten jedes Mal neu überlegt. Gewohnheiten geben Sicherheit und entlasten das Gehirn. Sie lassen ihm damit Kapazitäten für die wirklich wichtigen Prozesse, bei denen schnell „geschaltet“ werden muss.


Alltägliche Routinen sind ja auch durchaus nützlich, aber wie viele (An-)Gewohnheiten gibt es, derer man sich wirklich gern entledigen würde, weil sie stören (Fingernägelkauen, zwischendurch Süßigkeiten essen, zu langes Fernsehen statt Bewegung, …)? Allein schon deshalb, weil man beim Begehen von ausgetretenen Wegen selten Eigenschaften wie Neugier, Spontaneität und Achtsamkeit ausbildet und sich damit der eigenen kreativen Quellen beraubt.

 

In der letzten Ausgabe der ZEIT WISSEN (Ausgabe 2/13: Mach es anders!) wurde in diesem Zusammenhang von irischen Managern berichtet, die eine solche gravierende Gewohnheitsänderung ihrer Mitarbeiter initiiert haben. Denn obwohl das Wetter in Irland regelmäßig unwirtlich ist, fahren diese jetzt trotzdem regelmäßig mit dem Fahrrad anstatt dem Auto zur Arbeit.

 

Zwar war ursprünglich ein Wettbewerb im Rahmen eines „Earth Day“ ausgeschrieben, bei dem 3erTeams Punkte dafür erhielten, wenn sie das Auto zu Hause stehen ließen und sich mit dem Fahrrad auf den Weg zur Arbeit machten. Relativ schnell stand jedoch nicht mehr der mögliche Gewinn einer Reise im Vordergrund sondern der soziale Austausch, den die Manager losgetreten hatten. Über die verschiedenen Flure hinweg wurde über die Erlebnisse zwischen Pfützen und effizienterem Vorwärtskommen ohne Stau gefachsimpelt. Diejenigen, die sich besonders oft aufs Rad schwangen, bekamen besonders viel Anerkennung. Im Ergebnis wurde es „in“, fahrradfahrend zur Arbeit zu kommen. Und auf diese Weise wurde aus der ursprünglich einmaligen Aktion in dieser Firma ein Selbstläufer und der Wettbewerb unwichtig. Die Manager hatten ihr Ziel dauerhaft mehr als erreicht: Ein grüneres Image und vitaleres Personal.

 

Etwas anders zu machen als bisher kann nicht von „oben herab“ (im Beruflichen) oder von Dritten (im Privaten) befohlen werden. Es muss aus eigenem Antrieb heraus geschehen. Die Impulse dafür kommen oft ungesteuert – ob nun aus Zugzwang oder einfach so. Auf jeden Fall zahlt es sich aus, denn die daraus resultierenden neuen Wege sind oftmals gar nicht vorhersehbar. Sie öffnen aber Perspektiven, auf die man ohne weiteres gar nicht gestoßen wäre: Zum Beispiel Zeit für ein paar Gymnastikübungen oder ein kleines Frühstück, wenn man morgens fünf Minuten früher aufsteht als bisher …

 

Und es lohnt sich doch immer, die Welt einmal wieder mit anderen Augen zu sehen.

Oder?

Führungskräfte durch Smartphones gestresst

„86 Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind durch die ständige Erreichbarkeit über ihre Smartphones zumindest zeitweise höherem Stress ausgesetzt, 35 Prozent spüren diese Mehrbelastung sogar häufig oder jederzeit. Nur zwei Prozent sind nach Feierabend für Kollegen oder Geschäftspartner nicht zu erreichen und lesen auch keine arbeitsrelevanten E-Mails. Selbst im Urlaub ist mit 84 Prozent ein Großteil der Führungskräfte geschäftlich erreichbar.“

 

Zu dieser Einschätzung gelangt eine Studie der technischen Universität München in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Mercer, für die mehr als 150 Führungskräfte befragt wurden.

 

Zu den Folgen meint Prof. Volker Nürnberg, Leiter Health Management bei Mercer: „Die ständige Erreichbarkeit über das Ende der regulären Arbeitszeit hinaus und die damit verbundene Einschränkung der Freizeit können für erhöhten Stress sorgen und verkürzen die Regenerationszeit, was sich langfristig negativ auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Führungskräfte auswirken kann.“

 

Einige Unternehmen ergreifen deshalb im Rahmen eines integrierten Gesundheitsmanagements bereits Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter wie das Nicht-Weiterleiten von Emails am Abend, am Wochenende und im Urlaub. Die Studie zeigt jedoch, dass Führungskräfte von solchen strikten Regelungen zur Zeit eher noch ausgenommen bleiben. Lediglich 3% der Befragten konnten auf entsprechende Regelungen in ihrem Unternehmen verweisen.

 

Gesundheitsmanagement ist zwar in aller Munde, aber die konkrete Umsetzung lässt vielerorts auf sich warten. Vorerst liegt es bei jedem Einzelnen, verantwortungsvoll mit den eigenen Ressourcen umzugehen. Schulungen in Sachen Selbstmanagement oder Life-Work-Balance unterstützen dabei. Und Führungskräfte können über ihre Vorbildfunktion bewirken, dass in ihrem Team ein bewusster Umgang mit dem Thema gelebt wird: Gesundheit ist Chefsache

Ellinor Schirrmacher

Ellinor Schirrmacher studierte Deutsch als Fremdsprache und Erziehungswissenschaften im Bachelor und daran anschließend Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung, Weiterbildungsmanagement im Master. Während des Studiums arbeitete Sie als Dozentin in diversen Deutschkursen zur (sprachlichen) Integration von ausländischen Mitbürgern. Ebenfalls knüpfte Sie erste Kontakte in die Wirtschaft. Ellinor Schirrmacher arbeitete als Werkstudentin in der Personalentwicklung eines international agierenden Maschinenbauunternehmens und gelangte von da aus zum IME.

 

Jetzt ist sie dort zusammen mit ihren Kolleginnen für die Offenen Seminare zuständig und betreut den IME Blog. Inspiration dafür holt sie sich u.a. beim regelmäßigen Lauftraining und auf dem Weg mit dem ÖPNV zwischen Büro und Kita, wo es manchmal länger dauert… Mehr über sie erfahren Sie über ihren XING-Account.