Standing im Beruf: Ansehen braucht Haltung und Sichtbarkeit

Was bedeutet es, wenn eine Person ein gewisses Standing im Unternehmen hat? Was zeichnet Menschen aus, die über ein hohes Ansehen verfügen? Kann man Standing beeinflussen? Diese und andere Fragen habe ich Trainerin Karin Volbracht gestellt und spannende Antworten erhalten.

Was heißt Standing im Beruf eigentlich? Der eine definiert Standing vielleicht über das Fachwissen der andere über Wirkung: Gibt es darüber einen Common Sense?

Karin Volbracht: Wenn ich über einen Kollegen sage „Der hat hier ein gutes Standing“, dann verbindet jeder ein ganz eigenes Bild damit. Doch in diesem Bild kommen fast immer Elemente wie Ansehen, Kompetenz und Einfluss vor. Das Wort kommt ja vom englischen Begriff für „stehen“ oder „Stand“. Doch Standing bezieht sich nie auf uns allein, sondern darauf, welche Wirkung wir auf andere entfalten.

Wie kann ich das beeinflussen?

Karin Volbracht: Das ist eine komplexe Angelegenheit, die sich nicht komplett selbst steuern oder planen lässt. Dabei kann jeder viele Dinge tun, um sein Standing aktiv zu verbessern. Das ist nicht nur von messbaren Erfolgen im Job abhängig. Haltung und Klarheit gehören da natürlich auch dazu.

Welchen Kriterien sind für das eigene Standing noch wichtig?

Standing ist ein ziemlich weicher Begriff. Ich habe lange nach wissenschaftlichen Kriterien gesucht. In der Psychologie gibt es ein so genanntes „Autoritäts-Dreieck“, das ist hilfreich. Das Autoritäts-Dreieck besteht aus den Komponenten „Persönlichkeit“ mit den individuellen Stärken und Schwächen und der Kommunikationsfähigkeit. Dazu kommen fachliche „Exzellenz“ und Kompetenzen sowie der hierarchische Einfluss oder das Ansehen in einer Organisation. Das bringt für mich gut zum Ausdruck, auf welchen Fundamenten ein starkes Standing entsteht. Das Vertrauen, das ich bei Kollegen genieße, ist auch ein wichtiger Bestandteil.

Inwiefern?

Wenn zum Beispiel jemand sein Standing ausschließlich darauf baut, mit dem Chef Golf zu spielen, kann das bei einem Wechsel in der Chefetage schnell zusammenbrechen.

Lässt sich Standing messen?

In der Medienbranche wird das Standing eines Journalisten unter anderem daran gemessen, wie häufig er von anderen zitiert wird. Das gilt ähnlich auch für Wissenschaftler. Diese Art der Messung lässt sich auf die eigene Position im Unternehmen oder im Team übertragen. Wenn meine Meinung wichtig ist, wenn mein Wort Bedeutung hat und eventuell sogar positive Geschichten über mich erzählt werden, dann muss ich mir über mein Standing keine Gedanken machen. Menschen bilden in Gruppen oder Teams ein feines soziales Radarsystem aus. Das Echo in diesem Sozial-Radar bildet Standing in einer Gruppe gut ab. Das kann auf dem Büroflur nebenan dann schon ganz anders aussehen.

Fliegen introvertierte Menschen dann automatisch unter dem Radar?

Keineswegs. Wenn wir auf das Autoritäts-Dreieck schauen, dann liegt das Introvertiertsein im Feld der Persönlichkeit. Wenn die anderen Felder Exzellenz und Einfluss gut bestückt sind, können die „Stillen Wasser“ im Unternehmen durchaus zu „Grauen Eminenzen“ werden. Sie stehen dann nicht im hellen Licht an der Front, sondern eher im Hintergrund. Dennoch entwickeln sie Standing im sozialen Radar eines Teams oder einer ganzen Firma.

Wie können Introvertierte ihre Position aufwerten?

Dadurch, dass sie in fachlichen Fragen Überzeugungskraft entwickeln, aktiv Ideen einbringen und konsequent gestalten. Bei Angriffen oder Rücksichtslosigkeiten hilft eine entspannte Konter-Haltung anstelle von Rückzug. Und wenn die Stillen ihre Erfolge schon nicht gern selbst an die große Glocke hängen, sollten sie auf jeden Fall zulassen, dass andere darüber reden. Ansehen braucht Sichtbarkeit.

Wie wichtig ist der Faktor der Kommunikation beim Standing?

Natürlich es es wichtig, ob ein Mensch auf den Punkt kommt, ob er überzeugen kann und auch heikle Gespräche souverän führt. Sprache erzeugt Aufmerksamkeit und Klarheit. Worte prägen Beziehungen. Deshalb arbeite ich gern mit hilfreichen Redeformaten wie dem “Power Statement“ oder übe auch spontane Reaktionen, wenn einen ein Thema kalt erwischt. Die kommunikative Präsenz wird rund, wenn dann auch Körpersprache und Stimme dazukommen. Doch das ist nur ein Element bei der Arbeit am Standing. Ein rhetorischer gewandter „Poser“ kann auch schnell im Abseits stehen.

In welchen Momenten wird Standing auf die Probe gestellt?

Gute Zeiten kann jeder. Standing wird in heiklen Momenten erkennbar. Wie souverän reagiere ich, wenn ich angegriffen werde? Wie gehe ich mit meinen eigenen Fehlern um? Was tue ich unter Hochstress? Wie verteidige ich mein Team in der Krise? Unser Verhalten unter Druck prägt die Geschichten, die dann über uns erzählt werden. Und das drückt unserem Ansehen einen Stempel auf.

Liebe Karin, vielen Dank für das Interview.

Karin Volbracht, Trainerin im Auftrag des imeKarin Volbracht, diplomierte Politologin und Psychologin, hat langjährige Leitungs- und Teamerfahrung als Journalistin – u.a. bei der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sie lebt in Hamburg und arbeitet als Trainerin und Coach u. a. für das ime. Sie befasst sich intensiv mit Haltung und Verhalten von Führenden und liebt außer guten Fragen auch das weite Feld der internen und externen Kommunikation. Eine Herzensangelegenheit sind ihr Projekte für eine neue, bessere Arbeitswelt.

Daumen hoch oder Daumen runter? Apps verkürzen Feedback auf schnelle Bewertungen

Welche Wirkung erzeugen Feedback-Apps? Das hat Sarah Biendarra (comspace) auf Twitter gefragt und eine spontane Diskussion zu Sinn und Unsinn von Feedback entfacht. Schnell stand fest, das Thema mit einer Blogparade aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Gern nutze ich diesen Beitrag, um zu zeigen, warum Feedback-Apps nicht dazu geeignet sind, entwicklungsförderliches Feedback zu geben. Hintergrundinfos zur #Feedbackparade finden sich auf dem Blog von comspace.

Feedback ist wertvoll, wenn…

Feedback kann zur persönlichen Entwicklung beitragen und die Zusammenarbeit im Team verbessern. Damit Feedback diesen Anspruch aber auch erfüllen kann, müssen drei Fragen in diesem Prozess beantwortet werden:

  • Wie nehme ich eine andere Person wahr?
  • Wie empfinde ich ihr Verhalten?
  • Welches Verhalten würde mir ggf. die Zusammenarbeit erleichtern?

Wie das im Detail aussehen könnte, habe ich schon an anderer Stelle hier im Blog beschrieben. Nur soviel: Feedback bezieht sich auf konkretes, beobachtbares Verhalten, ist situationsbezogen und wird als persönliche Wahrnehmung an die andere Person zurückgemeldet.

Feedback-Apps machen Rückmeldungen leichter

Im Sinne einer offenen Feedback-Kultur im Unternehmen scheinen Feedback-Apps sinnvolle Werkzeuge zu sein, um kontinuierlich Rückmeldungen einzuholen, diese zu analysieren und Entwicklung sichtbar zu machen. Wen interessiert es nicht, wie die Entscheidungsfindung im Unternehmen eingeschätzt wird, wie diskutiert wird, wer sich einbringt oder wie die Teamleitung wahrgenommen wird? All diese Informationen an einem zentralen Ort verfügbar und abbildbar zu haben, kann die Zusammenarbeit im Unternehmen verbessern. Soweit die Theorie.

Icon App-Store von Apple

Feedback-Apps sind digitale Kommunikationswerkzeuge. Um eine Ahnung zu bekommen, wie sie sich auf den Feedback-Prozess auswirken, hilft es sie auszuprobieren. Klar. Man könnte aber im Voraus auch einmal erfolgskritische Felder der digitalen Kommunikation betrachten. Ich denke, dass man dabei interessante Rückschlüsse auf das Interaktionsverhalten und den zu erwartenden Erfolg der Feedback-Apps ziehen kann.

The medium isn´t the message

Feedback per App nach dem Meeting einholen

Nach dem Meeting Rückmeldungen einholen – eine klassische Anwendung von Feedback-Apps.

Nach dem Meeting schnell und einfach mit der App das Meeting einschätzen lassen – das könnte ein klassisches Anwendungsfeld für ein technologiebasiertes Feedback sein. Unkompliziert ist es aber nicht: Feedback muss unmittelbar erhoben werden. Verlassen die Teilnehmer den Meetingort, sinkt die Chance auf Rückmeldung rapide. Da sind auch Push-Benachrichtigungen oder Reminder nur bedingt erfolgreich – 83 Prozent der Nutzer einer App ignorieren diese. Feedback ist ein Geschenk und deshalb sei die Frage erlaubt, ob es so offensiv mit Maßnahmen des Online-Marketings eingefordert werden darf.

Rückmeldungen per App sind kein entwicklungsförderliches Feedback

Eine App, mit der es leichter wird, Rückmeldungen zu geben, als in einer mündlichen Form, wird sich zweifellos durchsetzen können. Wie sieht es da aber momentan aus? Feedback muss ja in irgendeiner Form (Text, Auswahlfelder oder Sprachaufzeichnung) erfasst und veröffentlicht werden.

1. Ich stelle eine konkrete Frage mit konkreten Antwortmöglichkeiten.

Wie hat dir meine Moderation des heutigen Meetings gefallen?
Bitte kreuze auf einer Skala von eins bis zehn an (zehn steht dabei für die beste Performance).

Ist die Antwort auf diese Frage eigentlich schon Feedback oder ist das nur eine Bewertung? Habe ich mir zum Ziel gesetzt meine Moderationsfähigkeit zu verändern, muss ich wissen, was ich anders machen könnte. Dann kann ich mich nicht mit einer einfachen Punktebewertung zufrieden geben. Dann brauch ich Details. Muss weitere Fragen formulieren und weil es ja schnell und unkompliziert sein soll, auch Antworten vorgeben. Bewege ich mich dann aber nicht in meinem eigenen Erwartungsfeld? Lenke ich hier den Feedback-Geber nicht zu sehr? Nehme ich mir damit nicht die Chance wichtige Denkanstöße zu erhalten, die mich wirklich weiterbringen?

2. Ich nutze Freitextfelder für das Sammeln individueller Rückmeldungen.

Aus den Erwartungsabfragen und Feedbackbögen unserer Seminare und Trainings wissen wir nur zu genau, dass Freitextfelder zu einem Großteil ungenutzt bleiben. Denn Freitext mit Inhalt zu füllen, bedeutet mehr Aufwand. Hier muss sich der Nutzer Gedanken machen und etwas ausformulieren. Und das steht im krassen Widerspruch zu der digitalen Kommunikation, die wir auf Facebook, Twitter oder bei WhatsApp eingeübt haben und die eine Feedback-App eben auch verspricht.

Die digitalen Techniken der Kommunikation machen Bewertungen leicht, erschweren aber Feedback

Wie wir sprechen, lesen, schreiben und verstehen hat sich durch digitale Techniken grundlegend verändert. Und das wirkt sich eben auch auf die Art der Rückmeldungen aus, die wir über eine App geben oder erhalten.

Emojis in der digitalen Kommunikation

Emojis machen Kommunikation schneller, fördern aber unsere Faulheit, Gedanken auszuformulieren.

Digitale Kommunikation ist schnell, informell und weniger verbindlich. Bilder und Smileys kompensieren Mimik, Gestik und Tonlage. Uns stehen dafür über 2666 Emojis und Emoticons zur Verfügung. Wir verkürzen und relativieren und können damit die ganze Facette unterschiedlichster Gefühlslagen in Schriftform abbilden. Das gegenseitige Verständnis hat sich dadurch aber nicht wirklich verbessert. In vielen Momenten erschwert es die zwischenmenschliche Kommunikation sogar.

Dass lässt sich auch jeden Tag in den sozialen Netzwerken beobachten. Wir sind ständig auf Empfang und reagieren auf sensationelle Headlines und emotionale Bilder. Kommentieren oder Teilen heißt aber nicht, auch zu verstehen. Das zeigt eine Studie der Columbia University. Sechs von zehn Nutzern in den sozialen Netzwerken teilen Artikel, ohne sie vorher gelesen zu haben. Und amerikanische Kognitionsforscher vermuten sogar, dass die ständige Verfügbarkeit von Informationen dazu verführt, unser Wissen und Verständnis über alle Bereiche des Lebens zu überschätzen.

Ich befürchte, dass sich diese Symptome der digitalen Kommunikation auch in einer Feedback-App niederschlagen. Dass in dieser Umgebung dann nicht der entwicklungsförderliche Ansatz im Vordergrund steht. Sondern, dass es nur noch um das Einordnen von individuellen Leistungen in einem wohlfeilen Rahmen geht. Feedback darf aber nicht dem Preis eines Sterne-Ratings geopfert werden.

Feedback-Apps fördern den Irrglauben, durch das bloße Rückmelden von Einzelaspekten könne eine individuelle Veränderung angeregt werden. Sie verkomplizieren damit die Beziehung zwischen den Feedback-Partnern. Denn sie unterschlagen, dass es für Feedback Anstrengung von beiden Seiten bedarf. Feedback-Empfänger könnten dem Trugschluss unterliegen, ohne Arbeit an sich selbst und einer eigenen Reflektionsleistung eine Verhaltensänderung zu erreichen. Und Feedback-Geber könnten sich wundern, warum kurze und schnelle Mini-Rückmeldungen auf so wenig Resonanz stoßen.

Weil ein digitales Kommunikationsumfeld eben nicht unmittelbar dazu beiträgt, Inhalte zu verstehen und zu durchdenken. Weil es eben schwierig ist, Wörter bewusst zu wählen, Gedanken zu erfassen, zu sortieren und auszuformulieren. Und ein Feedback, welches über die bloße Bewertung hinausgeht und einen eigenen Denkprozess in Gang setzt, auch nicht mit einem Fingerwisch erzeugt werden kann. Diese gelingt zum jetzigen Zeitpunkt besser in der direkten Face-to-Face-Kommunikation.