„Unser Matching hilft dir herauszufinden, welcher Job wirklich zu dir passt.“

Ob es zwischen Mensch und Unternehmen wirklich passt, wird für beide Parteien immer erst deutlich, wenn die Arbeitsbeziehung geschlossen wurde. Algorithmen sollen diese Passung schon im Voraus feststellen. Ich spreche mit Martin Grupp von jobify über Karrierewünsche, veränderte Recruitingprozesse und Persönlichkeitstests in der Arbeitswelt.

Die meisten Menschen, die ich kenne, starten ihre Jobsuche bei den einschlägigen Jobbörsen. Was unterscheidet jobify von dieser klassischen Vorgehensweise?

Martin Grupp: Bei jobify ist jeder Bewerber mehr als nur ein Lebenslauf. Während bei klassischen Jobportalen die Abschlüsse und Zeugnisse ausschlaggebend sind, spielen bei uns die Persönlichkeit und die Vorstellungen des Bewerbers eine ebenso große Rolle. Durch die Verbindung des menschlichen Aspektes, also unter anderem das Bedürfnis nach glücklicher Arbeit und der technologischen Seite finden wir einen Job, der nicht nur auf dem Papier gut aussieht, sondern wirklich zu dem Bewerber passt.

Auf der Grundlage meines Profils bekomme ich also passende Stellenausschreibungen angezeigt. Welche Kriterien spielen da neben der Qualifikation noch eine Rolle?

Abgesehen von der Qualifikation setzt sich der Matching Prozess aus drei weiteren Bausteinen zusammen. Ein Baustein ist Persönlichkeit & Kultur, hier ermitteln wir mit Hilfe eines Persönlichkeitstests, welches Unternehmen in Bezug auf Unternehmenskultur und Arbeitsumfeld zu dir passt. Ein weiterer Baustein sind die Präferenzen und Wünsche des Bewerbers bezüglich Gehalt, Benefits und Work-Life-Balance. Der letzte Baustein sind die Entwicklungsperspektiven und Karrierevorstellungen. Die Kombination dieser vier Bausteine führt dann zu deinem Suchprofil, mit dem wir den idealen Job für dich finden können.

Die Qualifikation hat im Algorithmus den höchsten Stellenwert. Wie berücksichtigt ihr Suchanfragen wie Generalist oder Assistenz, die eben nicht an einen bestimmten Hochschul- oder Berufsabschluss gebunden sind?

Beim Job-Matching-Prozess wird nicht nur der Name und die Art des Hochschulabschlusses abgefragt, sondern konkret die erworbenen Fachkenntnisse im Studium. Diese Kenntnisse werden mit den Anforderungen des Jobprofils abgeglichen. So können wir den Kandidaten auch unabhängig von ihrem Abschluss passende Jobmatches abbilden.

Mir fällt es schwer zu sagen, was mich wirklich antreibt und was ich in meinem Berufsleben noch erreichen will. Wie erhebt ihr diese Informationen?

Während des Matchingprozesses beantwortest du einen situativen Fragebogen, der es uns möglich macht deine Potenziale und Wünsche abzulesen. Dadurch schaffen wir es, dir nicht nur passende Job-Matches zu zeigen, sondern dir auch eine Orientierung im Arbeitsmarkt zu geben. Nutzer von jobify müssen also im Vergleich zu Suche über Jobsuchmaschinen keine konkrete Vorstellung von ihrer Jobbezeichnung haben. Viel mehr bietet Jobify die Möglichkeit herauszufinden, welcher Job auf Basis von Qualifikationen, Persönlichkeit, Anforderungen und Perspektive zu dir passt.

In unseren Seminaren und unternehmensspezifischen Entwicklungsprogrammen setzten die Trainer auch Persönlichkeitsverfahren wie den DISG oder das BIP ein, um Aussagen zu Verhaltenstendenzen der Teilnehmer zu treffen. Welches Persönlichkeitsmodell nutzt ihr und was kann ich mir unter einem situativen Fragebogen vorstellen?

Unsere Fragen richten sich nach den „Big Five“ bzw. dem Fünf-Faktoren-Modell. Big Five ist einer der wissenschaftlich validiertesten Persönlichkeitstests. Dem Modell zufolge existieren fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit. Diese sind Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Anhand von Fragen wird festgestellt werden, welche Merkmale besonders ausgeprägt sind – Danach lässt sich ein Mensch in verschiedene Gruppierungen einteilen.

Bei einem situativen Fragebogen werden Beispielsituationen genannt, als Antworten darauf gibt es typische Reaktionen, die der Teilnehmer auswählen kann. Zum Beispiel: „Ihr Kollege hat sich in seiner Zeitplanung verschätzt und wird mit seinem Projekt nicht mehr pünktlich fertig. Was tun sie?“ Durch dieses Prinzip der Fragestellung können wir ausschließen, dass Kandidaten in den Antworten nach der vermeintlich Richtigen suchen.

Matching kann nur funktionieren, wenn die Personen als auch Unternehmen beim Anlegen der Profile ehrlich sind. Gibt es da eine Art Qualitätsmanagement bei jobify?

Das vollständige Profil dient als Bewerbungsunterlage, die Nutzer sind also dazu angehalten, die Fragen ehrlich zu beantworten. Außerdem schränken situative Fragebögen verfälschte Antworten ein, da das Ergebnis nicht vorhersehbar ist. Das gleiche gilt für Unternehmen. Stellenangebote können dabei nicht einfach von anderen Jobportalen übernommen werden, sondern müssen durch einen ähnlichen stellenspezifischen Fragebogen ergänzt werden. Dieser Prozess ist notwendig, da wir nur so ein Matching von so hoher Qualität garantieren können. Durch gezieltes Qualitätsmanagement sorgen wir dafür, dass sowohl Unternehmen als auch Kandidaten das Beste aus ihrem Profil rausholen können.

Wir unterstützen Unternehmen dabei, Talente in den eigenen Reihen zu erkennen und für Schlüsselpositionen zu gewinnen. Mit dem beschriebenen Matchingverfahren könnt ihr schon im Vorfeld feststellen, ob sich Kandidaten für so eine Beziehung eignen. Das wird sich auch auf unternehmensinterne Entwicklungsprozesse wie Assesment und Development Center auswirken.

Im Prinzip ja. Je nach Intensität werden hier natürlich noch mehr Dinge bei einem Kandidaten geprüft, als dies bei uns der Fall ist. Dennoch prüfen wir genau jene Dimensionen, die sonst klassischerweise im Assessment kommen, bereits vorab: Persönlichkeit, Potenzial und auch Motivation anhand der eigenen Erwartungen. Ein Verzicht ist dadurch durchaus möglich. Theoretisch könnten Unternehmen also auf die Profile der Kandidaten zugreifen und schon bei der Einstellung feststellen, welche Talente vorhanden sind um sicherzustellen, dass eine langfristige Bindung an das Unternehmen wahrscheinlich ist.

Vielen Dank für das Interview.

Martin Grupp, jobifyMartin Grupp hat vor zwei Jahren gemeinsam mit Stefan Schabernak das Startup jobify gegründet, um die Art und Weise, wie junge Menschen zu den passenden Unternehmen finden, grundlegend auf den Kopf zu stellen. Martin und Stefan waren maßgeblich beteiligt am Aufbau von ROCK YOUR LIFE! und beschäftigten sich schon viele Jahre mit Themen wie der Berufsorientierung, dem Berufseinstieg und der Generation Y. Mit jobify gehen sie den nächsten Schritt und passen Jobsuche und Recruiting technologisch und inhaltlich auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts an.

„Wer Stress am Arbeitsplatz reduzieren will, benötigt die Fähigkeit zur Selbststeuerung“

Hartmut Rosa, Professor für Soziologie an der Uni Jena hat kürzlich in einem Interview geäußert, dass es nicht die Arbeitsbelastung ist, die krank macht, sondern die unerreichbaren Zielhorizonte. Das Gefühl, dass die heutige Leistung morgen nicht einmal mehr reichen wird, um das Niveau zu halten, löst die heute beobachtbaren Formen von Erschöpfung, Stress und Burnout aus.

Heidrun Vössing: Ja, unerreichbare Zielhorizonte sind in der Tat ein Stressfaktor. Aber nicht nur. Aus der Stressforschung wissen wir, dass es noch andere wesentliche Belastungsfaktoren gibt, die auf Dauer krank machen.

Welche Faktoren haben den größten Einfluss?

Dies sind vor allem das gleichzeitige Erledigen verschiedener Aufgaben, geringe Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Arbeitsabläufe sowie fehlende Belohnung, Wertschätzung und Anerkennung.

Wird Stress am Arbeitsplatz also hauptsächlich von äußeren Aspekten hervorgerufen?

Nicht nur. Man kann zwischen äußeren und inneren Belastungsfaktoren unterscheiden. So können beispielsweise zu hohe Ziele von außen vorgeben sein oder auch selbst definiert werden.

Welche Stellhebel beeinflussen das persönliche Stressempfinden noch?

Die Stressforschung betrachtet neben den Risikofaktoren mittlerweile auch die äußeren und inneren Schutzfaktoren. Ein kollegiales Team ist beispielsweise ein äußerer Schutzfaktor. Und die neurobiologische Forschung zeigt, dass innere Beweggründe, wie Sinnhaftigkeit, eigene Ziele und Freude an der Aufgabe, Gesundheit erhalten. Arbeit kann abhängig von ihrer Beschaffenheit beides – sie kann uns erfüllen und glücklich machen oder eben auch krank. Unternehmer beeinflussen beides und können Belastungsfaktoren ab- und Schutzfaktoren aufbauen.

Das große Zukunftsversprechen der Digitalisierung liegt in der Automatisierung. Maschinen übernehmen stupide, sich ständig wiederholende menschliche Arbeiten. Die Diskussion um eine hohe Arbeitsbelastung flammt aber immer wieder auf.

Ich vermute, dass sich in der digitalen Arbeitswelt das erlebte Maß an eigener Kontrolle verringert hat. Wir sind angehalten, die verschiedenen Prozesse parallel zu beobachten, zu begleiten und zu steuern. Dies erfordert, im Gegensatz zur Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe, eine breit gestreute Aufmerksamkeit. Bei manchen Menschen führt das zu Stress und Erschöpfung.

Wie können wir mit dieser veränderten Anforderung umgehen?

Durch Achtsamkeitsmeditation können wir wieder lernen unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren und zu steuern. Außerdem halte ich es für besonders wichtig, dass Menschen ihre Fähigkeit der Selbststeuerung stärken. Es geht darum den fremdgesteuerten Modus zu reduzieren und den proaktiven Modus auszubauen.

Was meinst du damit genau?

Wer sein Handeln als fremdgesteuert erlebt, fühlt sich wie ein Hamster im Rad. Wir reagieren nur noch auf Anforderungen von außen. Dabei geht es dann gerade nicht um eigene Ziele. Im proaktiven Modus orientieren wir uns an dem, was uns wichtig ist. Zudem ist es wichtig zu unterscheiden, was ich beeinflussen kann und was nicht.

Wie geht man dabei vor?

Zunächst hilft es, die individuelle Situation zu analysieren und sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Aspekte einer Situation beeinflussbar sind. Darauf konzentriere ich meine Veränderungsanstrengungen. Für Aspekte, die ich nicht beeinflussen kann, entwickle ich eine Akzeptanzhaltung.

Hast du ein Beispiel?

Ostern 2018 klagten viele wegen der Kälte und des Regens über das schlechte Wetter. Von einer Kollegin erhielt ich zu dieser Zeit einen Newsletter, in dem sie unter anderem auf ein interessantes Fachbuch hinwies. Ihrer Empfehlung, das schlechte Wetter zu nutzen, um ein gutes Buch zu lesen, bin ich gefolgt. Ich habe zwar keinen Einfluss auf das Wetter, aber ich kann die Umstände so gestalten, dass sie mich nicht belasten. Diese Unterscheidung in der modernen Arbeitswelt zu treffen, ist dahingegen nicht immer einfach. Am schwierigsten ist es für viele Menschen zu akzeptieren, dass wir weder die Kolleginnen und Kollegen noch die Chefin oder den Chef ändern können.

Vielen Dank für das Interview.

Heidrun Vössing, Trainerin im Auftrag des imeHeidrun Vössing ist Lehrtrainerin, Lehrcoach (DVNLP) und Expertin für die Themen Persönlichkeitsentwicklung und Führung. Für das ime bietet Sie unter anderem die Seminare „Individuelles Stressmanagement“ und das „Resilienztraining“ an. Zur Vertiefung des Themas empfiehlt sie allen Lesern das Buch „Arbeit“ von Joachim Bauer, welches eine brillante Analyse der modernen Arbeitswelt mit ihren Herausforderungen darstellt.