Blick in die Zukunft: Wie werden wir 20xx arbeiten

Das Thema ist schon seit meiner Studienzeit vor etwa 8 Jahren ein Dauerbrenner und wird aktuell wieder von allen Seiten beleuchtet. Man liest vom „Wandel der Arbeitswelt“ oder auch vom „Arbeiternehmer 4.0“. In diversen Blogs wird heiß diskutiert, was bspw. New Work 2020 bedeutet, oder auf unterhaltsame Weise dargestellt welche Jobs Zukunft haben. Immer wieder geht es auch um das Thema Digitalisierung – das nicht nur im Privaten unaufhaltsam Einzug hält sondern auch im Berufsleben. Die Präsenz der „neuen Medien“ hat Auswirkungen auf das Miteinander in Unternehmen – Mitarbeiter sind ebenso betroffen wie die Führungsebenen.

 

In einer aktuellen Pressemitteilung schreibt der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche BITKOM, dass die Digitalisierung der (Arbeits-)welt eine zentrale Rolle für unseren Wohlstand spielt und rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze schafft. Nicht ohne Auswirkungen auf den einzelnen Mitarbeiter: „Arbeit wird virtueller, Arbeit wird flexibler, Arbeit und Privates rücken stärker zusammen“, sagt BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf. „Der BITKOM fordert daher für die neue Legislaturperiode eine Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik, die auf verteilte Unternehmensstandorte Rücksicht nimmt und viel stärker auf den Wissensarbeiter selbst als auf den Unternehmenssitz fokussiert ist. Im Arbeitsrecht sollten virtuelle Organisationen berücksichtigt werden, besonders bei Hochqualifizierten müssten Arbeitszeit- und Arbeitsschutzvorschriften flexibler werden.“

 

Die Sozialen Medien haben sich längst so verbreitet, dass sich auch zunehmend die Frage stellt, inwiefern man das Private vom Beruflichen trennen kann und sollte – bei BMW haben die Mitarbeiter jetzt ein „Recht auf Unerreichbarkeit“. Es zeichnet sich also bereits ein Gegentrend zur „Always On“-Mentalität ab.

 

Führungskräfte müssen laut Netzwerkforscher Peter Kruse an ihrem Führungsverständnis arbeiten. Im Interview „Die Führungsmacht ist erschüttert“ (managerSeminare; Heft 190 – Jan. 2014) beschreibt er, wie die sozialen Netze und die immer stärker werdende Komplexität grundlegend in das Verhältnis von Führungskraft und Mitarbeiter eingreifen: „Führungskräfte fungieren nicht mehr als Vordenker. Sie können nicht mehr sagen, wohin die Reise geht – und so geraten sie in ein Legitimationsproblem.“

Auch das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO schreibt in seiner Broschüre „Arbeit der Zukunft“, (S. 6) im Vorwort: „In einer variantenreicheren Arbeitswelt müssen Führungskräfte in der Lage sein, auch in labilen Strukturen Bindung herzustellen […]. Dabei wird es weniger um Status, um abgrenzende Positionierung als um Haltung, dienendes Führen gehen. Die Gestaltung des Zusammenspiels, die Orchestrierung von Vielfalt wird zu einer zentralen Führungskompetenz.“ 

 

Führungskräfte stehen also vor neuen Herausforderungen während die Welt für die selbstbewussten, gut ausgebildeten Arbeitnehmer offenbar ganz rosig aussieht: Sie brauchen sich zukünftig auch wegen des demographischen Wandels um ihre berufliche Zukunft kaum Sorgen zu machen – und werden einiges von ihren Vorgesetzten erwarten. Glaubt man den Prognosen, so können sie sich ihre Arbeitsplätze frei nach persönlichen und individuellen Kriterien aussuchen, während Unternehmen weiter auf Employer-Branding setzen werden um attraktiv für Arbeitnehmer zu bleiben.

 

Mit einem Kurzvideo macht das Fraunhofer Institut neugierig auf die wissenschaftliche Betrachtung von zukünftigen Arbeits- und Lebensmodellen:

 

 

In der Broschüre zeigt das Fraunhofer IAO in s.g. „I-Boxen“ 15 wegweisende Trends für die zukünftige Arbeitswelt auf; bezogen auf die Schwierigkeiten des persönlichen Miteinanders bei der virtuellen Arbeit beschreibt Dr. Josephine Hofmann die Kehrseite der medialen Entgrenzung wie folgt:

„Moderne Kommunikations- und Kooperationstechnik ermöglichen (sehr) viel – aber sie erreicht nicht die Interaktionsmöglichkeit des direkten Miteinanders. Die technisch unterstützten Kommunikationskanäle sind immer selektiv in der ermöglichten Wahrnehmung des Kommunikationspartners – was häufig auch gewünscht ist. Ihre Nutzung erfordert mehr Aufwand als das persönliche Gespräch, technische Expertise, eine aktive Initiierung. Dies führt nicht selten dazu, dass nur noch kommuniziert wird, wenn es sich wirklich lohnt, ein konkreter Anlass gegeben ist. Das kurze Gespräch an der Kaffemaschine, die Nachfrage nach privatem – sie verschwinden in hoch virtuellen Arbeitsformen.“

 

Mehr zum Thema „Führung in einer grenzenlosen Arbeitswelt“ finden Sie auch in den folgenden Beiträgen im IAO-Blog:

Brauche ich eine Führungskraft?

Virtuelle Führungskräfte – mobile Mitarbeiter

 

Bildnachweis: © Tanja Föhr / flickr.com

Who the f*** is Alice? Miserable Krisenkommunikation am Beispiel von Alice Schwarzer

Alice Schwarzer hat sich über Jahrzehnte ein Image aufgebaut. Sie ist und war die Vorkämpferin für die Rechte der Frauen und ist die Symbolfigur der Emanzipation. Ihre Erfolge sind messbar und nachweisbar. Das hat sie sehr gut gemacht, weil sie stets glaubwürdig und stringent ihren Weg gegangen ist, um ihr Ziel zu erreichen. Das hat nicht jedem (Mann) geschmeckt, da sie teilweise auch sehr harsch und aggressiv ihre Themen und Argumente platziert hat. Dennoch zollen selbst Kritiker und Neider dieser Frau Respekt, unabhängig davon, ob sie Frau Schwarzer mögen und ihre Meinung teilen. Sie ist Inhaberin des Bundesverdienstkreuzes. Laut einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2013 ist Alice Schwarzer für jede vierte Frau und für jeden achten Mann ein Vorbild. Für Ihre leidenschaftliche Kampagne gegen Prostitution hatte sie in wenigen Monaten über 10.000 Unterschriften gesammelt. Wow!

 

Um es deutlich zu sagen: Diese Frau genießt ein hohes Ansehen in Deutschland. Ihr Image ist positiv, sie gilt vielen als moralische Instanz und Ihre Glaubwürdigkeit ist dabei die Bemessungsgrundlage. Bis Ende Januar – dann nahm die Geschichte eine dramatische Wendung.

 

Lassen wir die psychologische Analyse und die moralische Debatte beiseite, warum Frau Schwarzer Steuern hinterzogen hat. Zumal sie gleichzeitig öffentliche Fördermittel für ihr feministisches Archiv FrauenMediaTurm bezog hat. Die Berichterstattung lässt erst einmal darauf schließen, dass viele empört sind. Sie werfen Frau Schwarzer eine Doppelmoral vor und halten sie nicht mehr weiter für glaubwürdig. So weit, so gut.

 

Mich als Kommunikationswissenschaftler und -trainer regt inzwischen viel mehr das unprofessionelle und unsensible Krisenverhalten auf. Welcher Teufel reitet die Frau, so unreflektiert auf ihre Straftat und ihre enttäuschten Unterstützer zu reagieren. Man sollte meinen, aus der schlechten Krisenkommunikation von zum Beispiel Klaus Zumwinkel, Hartmut Mehdorn, Karl Theodor zu Guttenberg, Adolf Sauerland oder Christian Wulff hätte sich was lernen lassen. Zumal dies doch testosterongesteuerte Männer sind. Nein, Frau Schwarzer tappt ins gleiche Fettnäpfchen – und das mit beiden Beinen.

 

Aus meiner Sicht hat sie folgende Kommunikationsfehler begangen:

  1. Die Opferrolle. Ihr gravierendster Fehler. Sie sieht sich als Opfer und verkauft sich auch vehement weiter so. Kein Fingerzeig, kein Zeichen von „Ja, ich habe Mist gebaut. Ich stehe dazu.“
  2. Zorn als Reaktion. Der nächste schwere Fehler. Sie sieht sich als Opfer und startet den zornigen Gegenangriff. Es gäbe eine Prostitutionslobby, die eine Kampagne gegen sie fährt. Der Spiegel habe ihre Steuerhinterziehung illegal veröffentlicht. Und das Ganze sei ein Dammbruch für die Medien. Und es gehe um Rufmord. Alles nachzulesen auf der Homepage von Emma. Kein Fingerzeig, kein Zeichen von „Ja, ich kann verstehen, dass viele Menschen sauer und enttäuscht sind. Ja, ich kann verstehen, dass scharf geschossen wird, denn das habe ich auch immer getan.“
  3. Zweifelhafte Argumente. Sie habe das Konto in einer Zeit angelegt, in der sie darüber nachgedacht hat, wegen der Hatz gegen sie ins Ausland gehen zu müssen. Das mag sein und als Beweggrund sinnvoll erscheinen. Sich als politisch Verfolgte darzustellen, weckt als öffentliche Reaktion dennoch kein erneutes Vertrauen. Bevor solche Argumente kommen, besser keine Argumente liefern. Oder ein Fingerzeig, ein Zeichen von „Ja, ich habe Steuern hinterzogen. Ich wollte mein Geld mehren. Ich habe meinen Prominenten-Status unangemessen genutzt.“
  4. Eingeschränktes Bedauern. Ja. Alice Schwarzer zeigt Reue. „Ja, ich habe einen Fehler gemacht, ich war nachlässig.“ Leider schränkt sie ihr Bedauern danach ein und zieht damit einer Entschuldigung sofort wieder den Nährboden weg. „Aber ich habe den Fehler wieder gutgemacht.“ Ob eine Entschuldigung wirksam ist, entscheiden immer die anderen. Man kann darum bitten und darauf hoffen, entschuldet zu werden, sich aber nicht selbstherrlich die Zusage erteilen. Eine Entschuldigung und das Zeigen von Bedauern können in der Krise entscheidend sein. Es sollte aber immer uneingeschränkt wirken können.

 

Tja, wer ist denn verdammt nochmal jetzt diese Alice Schwarzer? Ich weiß es nicht. Manche behaupten, Geld mache gierig und Gier frisst Hirn. Vielleicht ist das die einfache Erklärung für eine schlechte Krisen-PR: Die Sinne sind vernebelt.

Deutsche Unternehmen in Russland – Ein Interview mit Dr. Daria Boll-Palievskaya

Immer mehr Unternehmen in Deutschland verlagern ihre Tätigkeiten ins Ausland – nicht nur um den steigenden Lohnnebenkosten zu entfliehen, sondern verstärkt auch um neue Märkte zu erschließen und Vertrieb und Kundendienst auszubauen. Fast 6,5 Mio. Menschen waren im vergangenen Jahr bereits in deutschen Firmen im Ausland (Ziel Nr. 1: China) beschäftigt (Quelle: Die WELT vom 29.03.13).  Passend zum Beginn der olympischen Winterspiele in der russischen Stadt Sotschi haben wir unsere Trainerin Dr. Daria Boll-Palievskaya dazu befragt, was deutsche Unternehmen nach Russland zieht und welchen Herausforderungen sie vor Ort begegnen.

Ist die Abwanderung deutscher Unternehmen Ihrer Meinung nach „ein Warnsignal für den Standort Deutschland“ und was sind Gründe dafür, dass Unternehmen sich gerade auf den Weg in den Osten begeben?

Die deutsche Industrie setzt traditionell auf den Export, das ist eine Binsenwahrheit. Allerdings sind osteuropäische Märkte ein relativ neues Gebiet, zumindest was die Russische Föderation betrifft. Zu lang und zu groß war die Angst vor dem „russischen Bären“. Inzwischen sind die Vorteile für alle offensichtlich, denn das Potenzial des russischen Binnenmarktes ist riesig. Der Bedarf an deutschem Knowhow ist enorm (und zwar durch alle Branchen hindurch vom Maschinenbau bis zur Logistik), außerdem  wächst die Mittelschicht, die Gesetzgebung Investoren gegenüber ist freundlicher geworden, auch immer mehr Regionen werden attraktiv. Viele Firmen, die den Markt jahrelang von Deutschland aus beliefert haben, entscheiden sich für eine eigene Produktion vor Ort. VW oder Siemens sind dabei die bekanntesten Beispiele, aber auch mittelständische Unternehmen produzieren in Russland. 

Konnten die deutschen Unternehmen von den Olympischen Spielen in Sotschi profitieren?

Deutsche Unternehmen kann man schon jetzt als Preisträger der Spiele bezeichnen, denn sie haben Aufträge für mehr als 1,5 Mrd. Euro in Sotschi bekommen. Mehr als 100 überwiegend Mittel- und Kleinunternehmen aus Deutschland waren dabei. Ob Tief- oder Hochbau, Innenarchitektur, Consulting, Sicherheitstechnik, Infrastruktur oder Logistik – die Deutschen sind bei dieser Olympiade ganz vorne.

Auf welche Probleme stoßen deutsche Unternehmen, die sich in Russland auf die Suche nach Mitarbeitern begeben?

Es ist sehr unterschiedlich und hängt davon ab, ob ich „nur“ eine Repräsentanz in Moskau eröffne oder eine Produktion, sagen wir mal in Uljanowsk. Vor allem in den Regionen erweist sich die Suche nach Führungskräften und Facharbeitern als schwierig. Einen Top-Manager mit Englischkenntnissen und einem westlichen Führungsstil zu finden, der noch Ahnung von compliance und change management hat und bereit ist, in eine Region außerhalb von Moskau zu gehen ist schier unmöglich. Noch schlimmer sieht es mit Facharbeitern aus. In Deutschland glaubt man, dass die Russen ein sehr hohes Niveau an technischer Ausbildung haben. Das stimmt allerdings nur für Absolventen der technischen Universitäten. Dabei hat sich der Katalog an technischen Berufen in den letzten zwanzig Jahren in Russland kaum geändert, das bekommt vor allem die Autoindustrie zu spüren.

Was unterscheidet den russischen vom deutschen Arbeitsmarkt?

Der russische Arbeitsmarkt ist viel rasanter und dynamischer als der deutsche. Russische Arbeitnehmer sind sehr wechselfreudig und karriereorientiert. Das erlebe ich wirklich oft in meiner Kommunikation mit russischen Kunden oder Geschäftspartnern: Noch gestern habe ich mit Herrn Iwanow ein Projekt besprochen, am nächsten Tag kommt eine Mail: „Sorry, arbeite inzwischen für ein anderes Unternehmen“. Das irritiert die deutschen Investoren, denn sie planen ja langfristig. Für sie sehen einige russische Lebensläufe eher wie Terminkalender aus – alle zwei Jahre ein neuer Job. Für Russland ist es aber beinahe die Norm.

Es kommt aber natürlich auch auf den Berufszweig an. Bei einem Buchhalter sollte eine solche Wechselhaftigkeit misstrauisch machen, doch bei einem Salesmanager gehört es beinahe zum Job. Also, muss man die russischen Bewerbungsunterlagen auch richtig lesen können. Übrigens, bei all ihrer Flexibilität gehen die Russen sehr ungern in die Regionen außerhalb der großen Städte. Man verlässt keine Metropolen, man geht nicht in die Provinz. Das müssen die deutschen Arbeitgeber berücksichtigen, wenn sie Positionen irgendwo in Woronesh besetzen müssen.

Zur Autorin:

Während in Deutschland die Themen Demographie und Nachwuchsmangel schon länger im Gespräch sind, bekommen auch Unternehmen in Russland den „War of Talents“ jetzt zu spüren. Daria Boll-Palievskaya schreibt in einem Gastbeitrag für die Nachrichtenseite Russland HEUTE, welche Fallstricke sich daraus auch für deutsche Unternehmen ergeben. Zum Beitrag, der auch mit gängigen Klischees aufräumt, kommen Sie hier. Daria Boll-Palievskaya ist für das ime zu den Themen Deutsch-russische Geschäftsbeziehungen, interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement fim einsatz.

 

Bildnachweis: © Siemens-Pressebild; Reference-Number: PN 201304-07