Wie sehen die Unternehmen der Zukunft aus?

Unternehmen stehen immer wieder vor den gleichen Herausforderungen. Starre Strukturen, fragwürdige Routinen oder vermeintliche Sachzwänge blockieren die Kreativität oder drücken Motivation und Arbeitsfreude. Unternehmenserfolg ist zukünftig immer mehr von diesen Faktoren abhängig. Die entscheidende Frage für Unternehmer ist, in welcher Organisationsform Prinzipien wie Selbstbestimmung, Mitarbeiterbeteiligung oder Kommunikation auf Augenhöhe verwirklicht werden können.  Frederic Laloux gibt in seinem Buch „Reinventing Organizations“eine Antwort.

 

Reinventing Organizations – wie sich Unternehmen neu erfinden

Frederic Laloux, langjähriger Unternehmensberater bei McKinsey, geht in seinem Buch Reinventing Organizations den Aspekten der new work order nach. Warum sind Unternehmen, in denen keine zentralen Entscheidungen getroffen werden, wirtschaftlich dennoch erfolgreich? Zur Beantwortung dieser Frage vereint der Autor in seinem Buch drei große Erzählfäden. Im ersten untersucht Laloux, wie sich menschliche Organisationsstrukturen in historischer Perspektive verändert haben. Dabei greift er die Idee der Spiral Dynamics auf. Menschen gestalten ihre Umwelt so, dass sie mit neuen Konzepten die drängenden Probleme ihrer Lebenswelt lösen können. Die höheren Entwicklungskonzepte schließen dabei die vorhergehenden Stufen ein. Das bedeutet, dass sich zu einem Zeitpunkt X verschiedene Vergesellschaftungsformen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden können. Diese werden als Mem-Ebenen bezeichnet und zur Unterscheidung in verschiedene Farben eingeteilt. Laloux hat das Farbkonzept angepasst und eine nach oben offene Typologie von fünf Entwicklungsebenen erstellt:

 

Die derzeit höchste Ebene in der Entwicklungsspirale ist cyanfarben. Wie teal organizations (cyanfarbige Unternehmen) geschaffen sind, verdeutlicht der Autor anhand vieler Beispiele im zweiten Teil des Buches. Er zeigt auf, welche Praktiken und Strukturen verwirklicht wurden, um Herausforderungen wie Individualisierung, Digitalisierung und Globalisierung zu lösen. Laut Laloux setzten teal organizations auf Selbstmanagement, Selbstverantwortung, Gleichhheit und Herrschaftslosigkeit. Im letzten Abschnitt stellt der Autor Überlegungen an,

  • welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit sich neue Organisationsmodelle entfalten können,
  • wie sich bestehende Unternehmen verändern müssen, damit sie eine höhere Ebene erreichen,
  • welche Maßnahmen geeignet sind, sich für die Herausforderungen der zukünftigen Arbeitswelt zu wappnen.

 

Cyanfarbene Unternehmen setzen nicht auf traditionelle Geschäftspraktiken und sind trotzdem erfolgreich! Was machen sie anders?

1. Wie kann sichergestellt werden, dass gute und richtige Entscheidungen getroffen werden?
Ein Beratungsprozess stellt sicher, dass alle von der Entscheidung betroffenen Mitarbeiter unterrichtet sind, um Rat gefragt wurden und ihre Meinung dazu äußern konnten. Die Entscheidung trägt dann aber der verantwortliche Mitarbeiter.

 

2. Wenn es keine offiziellen Positionen wie Team-Manager gibt, wie werden Verantwortlichkeiten klar und Rollen deutlich?
Unternehmen sind im Sinne der holokratischen Theorie organische Gebilde. So wie Zellen im menschlichen Körper „wissen“, welche Funktion sie zu erfüllen haben, haben Mitarbeiter ein Gespür dafür, im Rahmen ihrer Rolle unternehmensrichtig zu handeln.

 

3. Wie werden Mitarbeiter in das Unternehmen integriert?
Die Arbeitsatmosphäre erlaubt es Mitarbeitern, sich mit ihrem ganzen Selbst in das Unternehmen einzubringen. Man könnte auch sagen, dass Unternehmen ist ganzheitlich orientiert. Ob dazu der Hund am Arbeitsplatz zählt oder ein Raum, in dem sich Mitarbeiter über berufliche Themen oder private Gedanken austauschen können, Ziel der Anstrengung ist es, aus Teams eine Gemeinschaft zu machen.

 

4. Wie finden cyanfarbene Unternehmen neue Mitarbeiter?
Auswahlgespräche finden nicht in der Personalabteilung sondern in der Organisationseinheit statt, in welche der neue Mitarbeiter eintritt. Die zukünftigen Kollegen wissen schließlich am besten, mit welchem Menschen-Typ sie arbeiten wollen. Zudem ist das Teamgespräch ehrlicher. Die Nachteile des neuen Arbeitsplatzes werden von Teammitgliedern deutlicher benannt und Bewerber können so eine fundierte Entscheidung treffen. Auf die Einarbeitungszeit wird sehr viel Wert gelegt. Denn wer zukünftig unternehmensrelevante Entscheidungen treffen will, braucht einen guten Überblick über das große Ganze.

 

5. Welchem Zweck folgen Unternehmen?
Cyanfarbene Unternehmen stehen für gute Produkte und Dienstleistungen zu fairen Konditionen aus einem nachhaltigen Herstellungsprozess. Sie sind am Gemeinwohl und nicht am Profitstreben Einzelner orientiert.

 

6. Welche Funktion haben Inhaber und CEOs inne, wenn sie kein alleiniger Entscheidungsträger sind?
CEOs sorgen erstens dafür, dass Mitarbeiter effektiv handeln können. Zweitens geht es um den Aufbau von Vertrauen und den Abbau von Misstrauen. Drittens repräsentieren die Geschäftsführer das Unternehmen nach außen.

 

7. Wie können Unternehmen die derzeit höchste Entwicklungsebene erreichen?
Der Weg vom klassischen Unternehmen zu einem cyanfarbenen Unternehmen ist lang und nur in kleinen Schritten zu verwirklichen. Entscheidend ist ein Wertewandel. Es gilt

  • Eigenverantwortung und Selbstmanagement der Mitarbeiter zu stärken,
  • gegenseitiges Vertrauen in die individuellen Fähigkeiten aller Organisationseinheiten aufzubauen,
  • das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und
  • Methoden und Praktiken einzuüben, die diese Prozesse unterstützen.

 

Übrigens: Das Buch erscheint im Mai 2015 in deutscher Übersetzung. Auf der Homepage besteht zudem die Möglichkeit, es als E-Book in englischer Sprache herunterzuladen.

Unternehmensprinzipien – Warum es manchmal besser ist, sie zu missachten

Fairness, Leidenschaft oder Perfektion sind Werte, von denen Unternehmen profitieren. Aber auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Denn jede Tugend hat zwei Seiten. Welche Werte im unternehmerischen Kontext Missverständnisse hervorrufen und damit zu Stillstand im Unternehmen führen können, habe ich hier einmal in komprimierter Form zusammengefasst.

 

1. Fairness ist nicht Gleichheit

Fairness kann im unternehmerischen Kontext das Vorhaben meinen, alle Mitarbeiter gleich zu belohnen. Würden sich manche Mitarbeiter dadurch nicht falsch wertgeschätzt fühlen? Ebenso problematisch ist es, wenn diese Verschmelzung von Fairness und Gleichheit Unternehmen dazu verführt, jeden Kunden gleich zu behandeln. Ist es aber nicht eine viel bessere Handlungsoption, zu akzeptieren, dass Kunden und Mitarbeiter verschieden sind und deshalb auch individuell behandelt werden möchten?

 

2. Leidenschaft, die Leiden schafft

Geht man seinen beruflichen Aufgaben leidenschaftlich nach, vergisst man schon einmal die Zeit, die Arbeit fällt leichter, das Ergebnis beflügelt. Allerdings ist das kein Zustand, den man auf Knopfdruck erzielen kann. Eine Lösung wäre es, zu akzeptieren, dass arbeitende Menschen phasenweise als Sachverwalter ihres Aufgabengebietes auftreten müssen. Wer immer für sein Thema brennt, hat irgendwann keinen Brennstoff mehr und geht aus. Eine andere Möglichkeit ist es, Arbeitszeiten zu flexibilisieren. So können Mitarbeiter selbstbestimmt, engagiert und zufrieden an ihre Aufgaben herangehen.

 

3. Perfekt sollte das Ergebnis sein, nicht der Prozess

Manche Menschen sind der Meinung, dass nur hundertprozentige Leistung in allen Arbeitsschritten ein perfektes Ergebnis bringen kann. Das sehe ich nicht so. Wer von seinem Team vollkommene Ideen, funktionsfähige Produkte oder voll durchdachte Dienstleistungen erwartet, fördert eine kreativitätsfeindliche Arbeitsatmosphäre. Tolle Ergebnisse entstehen aus dem Prinzip Trial & Error, aus steten Verbesserungen, einem sachbezogenen Austausch über Probleme oder dem teaminternen freien Assoziieren. Mitarbeiter werden sich hüten, quer zu denken, wenn sie Angst haben, durch Unvollkommenheit ihren Status zu schädigen.

 

4. Innovation bedeutet Unternehmenserfolg

Neue Produkte und Dienstleistungen, die echte Bedürfnisse stillen, machen Unternehmen erfolgreich. Innovationen, die nur entstehen, weil Unternehmen ihre Fähigkeiten präsentieren wollen, bleiben belanglos und können sich sogar negativ auf das Image eines Unternehmens auswirken. Erinnert sich noch jemand an Googles Datenbrille? Manchmal besteht einfach noch nicht die Notwendigkeit, ein Produkt auch zu nutzen! Fortschrittliche Unternehmen können aber auf ganz andere Weise Marktpräsenz erzeugen. Indem bestehende Ideen umfunktioniert oder neu kalibriert werden, können Produkte entstehen, die Menschen berühren. Ebay ist dafür ein gutes Beispiel. War die Plattform zunächst ein Marktplatz für Gebrauchtwaren, die meistbietend verkauft wurden, konnten später auch Neuwaren über Ebay erworben werden. Heute greift Ebay Kleinanzeigen das Prinzip regionaler Flohmärkte auf und wird als virtuelles Schwarzes Brett genutzt.

 

Take-home Message

Stillstand ist Rückschritt. Unternehmen brauchen für den wirtschaftlichen Erfolg Veränderung. „Heilige Kühe“ darf es nicht geben, auch wenn es Unternehmensprinzipien wie Fairness, Innovationskraft oder Leidenschaft betrifft. Vergeuden Sie Ihre kreative Kraft nicht für Erfindungen, für die keine Notwendigkeit besteht. Ersticken Sie ihr kreatives Potenzial nicht im Drang zur Perfektion. Setzen Sie Ihre Energie gezielt ein und finden Sie persönliches Glück bei der Arbeit. Seien Sie fair, aber behandeln Sie nicht jeden gleich.