Blockade im Kopf – Was sie gegen Entscheidungsmüdigkeit tun können

Rot oder schwarz? Soll ich diesen Dienstleister wählen? Oder wäre es nicht besser, ein weiteres Angebot einzuholen? Fällt es Ihnen auch manchmal so schwer eine Entscheidung zu treffen? Unser Gastautor Michael Steffens verrät Ihnen, warum wir in manchen Entscheidungssituationen mental blockieren und gibt vier Tipps, was gegen Entscheidungsmüdigkeit hilft.

Wer Entscheidungen trifft, verbraucht Energie

Der durchschnittliche berufstätige Mensch trifft täglich bis zu 60000 Entscheidungen. Die meisten davon unbewusst. Weitreichende Entscheidungen beschäftigen uns länger und kosten richtig Energie. Sie werden verworfen oder neu gedacht. Oft wägen wir zum hundertsten Male das Pro und Contra ab, bevor wir einen Entschluss fassen. Und manchmal lassen wir uns nur zu gern von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Wir checken mal kurz, was bei Twitter, Instagram oder Facebook los ist. Wir tigern durch das Büro, auf der Suche nach Zucker. Oder wir holen einen Kaffee, von dem wir hoffen, dass er uns wieder in die Spur bringt.

Irgendwann ist der Akku leer

Im Normalfall sind wir willensstark und selbstdiszipliniert aber manchmal gewinnt eben der innere Schweinehund. In der Sozialpsychologie wurde dieses Phänomen als Ego-Depletion beschrieben und meint einen Zustand der „geistigen Ermüdung“. Vertreter der These, wie Roy Baumeister gehen davon aus, dass uns mentale Anstrengungen vorzeitig geistig erschöpfen lassen.

Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn sich Menschen gleichzeitig mit mehreren Aufgaben beschäftigen. Vergleichen Sie das Phänomen mit einem Laser: Licht in gebündelter, hochkonzentrierter Form kann härteste Materialien schneiden. Verstreutes Licht erzeugt lediglich Helligkeit in unterschiedlichster Abstufung.

Multi-Tasking, Entscheidungsleistungen oder Denkprozesse beeinflussen unsere Effektivität und Hirnleistung. Psychologen sprechen dann von Selbsterschöpfung. Verwenden wir also viel Denkenergie auf eine Entscheidung, senkt das unseren geistigen Energielevel. Und das beeinflusst dann wiederum unsere Willenskraft, diese Entscheidung überhaupt zu bearbeiten. Wir geben frühzeitig auf und schieben sie auf die lange Bank.

Was Sie gegen Entscheidungsmüdigkeit tun können

1. Im Schlaf Informationen verarbeiten

Untersuchungen haben ergeben, dass Entscheidungsfähigkeit und Gedächtnisleistung massiv abnehmen, wenn man nur fünf Stunden schläft, anstatt acht. Wenn eine längere Schlafphase nicht machbar ist, genügt oft schon ein Power Nap. Unsere Großeltern haben dazu „Nickerchen“ gesagt. Damit meinten sie in der Regel den halbstündigen Mittagsschlaf um wieder zu Kräften zu kommen. Untersuchung zum menschlichen Biorhythmus haben gezeigt, dass die Leistungskurve in der Mittagszeit drastisch abfällt. Mit einem 20 bis 30minütigen Mittagsschlaf lässt sich dieser Effekt zu 100 % ausgleichen. Ein Power Nap kann jederzeit, wenn geistige Erschöpfung eintritt, „genommen“ werden. Denn weitere Untersuchungen zeigen, dass Kurzschlaf hilft, Probleme zu lösen und Informationen besser zu verarbeiten. Ein Power Nap in einer entspannten Sitzposition, gerne auch mit dem Kopf auf den Unterarmen ist völlig ausreichend für eine Erholungspause. Der Timer des Smartphones kann dafür als Wecker benutzt werden.

2. Sauerstoff tanken

Statt die Mittagspause in der Kantine zu verbringen oder ausfallen zu lassen, machen Sie einen Spaziergang an der frischen Luft. Unser Gehirn beansprucht einen Bruchteil unseres Körpergewichts, benötigt aber 25% des verfügbaren Sauerstoffs im Blut. Bewegung in der freien Natur versorgt unser Gehirn mit jeder Menge frischem Sauerstoff. Licht ist ein perfekter Muntermacher. Beides versetzt uns in eine positive Grundstimmung. Ist das nicht möglich, reicht schon ein Recken und Strecken der Glieder vor dem geöffneten Fenster.

3. Gesund ernähren

Neben einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr ist unser Gehirn angewiesen auf die Zufuhr von Glukose. Zucker ist der Treibstoff, der die Erschöpfung des Gehirns aufheben oder verhindern kann. Der Hunger nach Süßem ist ein deutliches Anzeichen für eine Unterversorgung des Gehirns mit eben diesem Treibstoff. Aber Vorsicht: Energydrinks oder zuckerhaltige Lebensmittel sorgen lediglich für kurzfristige „Kicks“. Energiereiche Snacks wie Obst oder Vollkornprodukte versorgen uns kontinuierlich mit der wertvollen Glukose. Auch Flüssigkeitsverlust trägt zur geistigen Ermüdung bei. Daher regelmäßig und ausreichend trinken (mindestens 2 Liter am Tag).

4. Mentaltraining

Musste früher aufwändig in Kursen erlernt werden. Heute stehen Mentaltrainings-Apps für jeden gewünschten Bedarf zur Verfügung. Der Anwender kann damit seine Konzentration steigern, autogenes Training lernen, meditieren oder sich über geführte Suggestionen entspannen, erfrischen und ermutigen. Auch Smartwatches und Fitness-Armbänder verfügen über Funktionen, die auf Pausenzeiten aufmerksam machen, den Schlafrhythmus aufzeichnen und Hinweise für die geistige und körperliche Fitness geben.

Wählen Sie sich aus den geschilderten Maßnahmen die am besten zu Ihnen und Ihrem Arbeitskontext passende aus. Risiken und Nebenwirkungen gibt es keine. Die wirksamste Methode nutzt jedoch nichts, wenn sie nicht konsequent angewendet wird. Versuchen Sie Rückfälle in alte Gewohnheiten zu vermeiden. Oder um es mit Erich Kästner zu sagen: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Michael Steffens, Trainer im Auftrag des imeDer Autor: Michael Steffens (Koblenz), Diplom-Pädagoge, seit 1988 Verhaltenstrainer, Berater und Coach in den Schwerpunkten Verkauf & kundenorientiertes Verhalten sowie Führungskräfte- und Teamentwicklung. Für das ime ist er als Trainer in Inhouse-Projekten u.a. in den Bereichen Kommunikation & Kundenorientierung im Einsatz. Sie wollen Michael Steffens für ein individuelles Inhouse-Training kennenlernen? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

„Personalentwicklung muss sich an ältere Mitarbeiter anpassen!“

Bis 2024 wird der Anteil der über 50-jährigen Erwerbstätigen auf 40 % anwachsen. Unternehmen werden sich auf diese Veränderungen einstellen müssen. Was kann die Personalentwicklung tun? Ein Interview mit ime-Expertin Martina Hitzler.

Frau Hitzler, wo sehen Sie die drängendsten Personalfragen in Unternehmen?

Sowohl im Gespräch mit Unternehmern als auch in der öffentlichen Diskussion sind es zwei Aspekte, die mir immer wieder ins Auge fallen: Zum einen stellen wir für viele Branchen einen Fachkräftemangel fest, zum anderen müssen sich viele Unternehmen mit einer alternden Belegschaft auseinandersetzen. Ich bin davon überzeugt, dass diese beiden Faktoren in den nächsten Jahren noch stärker die Personalarbeit und den Arbeitsmarkt beschäftigen werden. Ältere Mitarbeiter müssen länger im Erwerbsprozess gehalten werden.

Gibt es schon Ansätze, was Unternehmen ändern können?

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) untersucht zum Beispiel in einem Modellprojekt der Rhein-Ruhr-Region eine alternative Herangehensweise. Können überbetriebliche Tätigkeitswechsel für Erwerbstätige in Berufen mit begrenzter Tätigkeitsdauer dabei helfen, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen zu verlängern? Die Idee ist, diese erfahrenen und älteren Berufstätigen fachlich und persönlich so zu entwickeln, dass sie in einem anderen Unternehmen einer neuen Tätigkeit nachgehen können.

Das klingt jetzt nicht nach der nächsten Revolution auf dem Arbeitsmarkt.

Das sehe ich ganz und gar nicht so: Es handelt sich dabei um einen ganz neuen Ansatz. Überbetriebliche Tätigkeitswechsel sind ein absolutes Novum und können in Zukunft eine von vielen Maßnahmen sein, um die Arbeitsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhalten. Die dahinterstehenden Prozesse werden Unternehmen viel stärker verändern, als man auf den ersten Blick denkt.

Wie meinen Sie das?

Wenn junge Menschen in ein Unternehmen eintreten, ist ihre Erwerbsbiografie ein unbeschriebenes Blatt. Erst langsam füllt sie sich mit Qualifikationen und Kompetenzen und stellt die Arbeitsfähigkeit sicher. Haben Erwerbstätige ein bestimmtes Alter erreicht, fallen sie aus dieser Betrachtung raus. Personalentwicklung setzt mit den verschiedensten Maßnahmen sehr oft bei jüngeren Mitarbeitern an, weniger bei älteren.

Muss sich Personalentwicklung ändern?

Unternehmen brauchen eine dynamische Personalentwicklung, die den Einzelnen begleitet und die Maßnahmen auf die Lebensumstände abstimmt. Dazu müssen sich Personalverantwortliche mehr auf die Erfahrungen und Bedürfnisse von Erwerbstätigen mit längerer Tätigkeitsdauer konzentrieren und Unterstützungs- und Qualifizierungsmaßnahmen an diesen Bedürfnissen orientieren.

Die Kollegen aus der Personalabteilung brauchen eine andere Perspektive?

In der Personalentwicklung wirken genau die gleichen Altersstereotype wie in anderen Gesellschaftsbereichen auch. Zum Beispiel wissen wir ja aus der Alterspsychologie, dass die Merk- und Lernfähigkeit älterer Menschen anders ist. Aber die Mehrheit der Personalentwickler schaut fast ausschließlich auf die intellektuellen Aspekte. Wie sind die Mitarbeiter qualifiziert? Was haben sie bisher gemacht? Wie können wir diese Voraussetzungen nutzen, damit sie noch leistungsfähig im Betrieb sind? Dabei geht der Blick weg von der grundlegend veränderten Motivationslage älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Verändert sich Motivation im Alter?

Ja, das ist tatsächlich so und kann von verschiedenen psychologischen Modellen abgeleitet werden: Zusammengehörigkeitsgefühl, Autonomie, Entscheidungsfreiheit und Flexibilität am Arbeitsplatz beeinflussen die Motivation weit mehr als bei jungen Mitarbeitern. Andererseits wollen ältere Berufstätige den Status, den sie sich erarbeitet haben, nicht verlieren. Würde man ihnen eine Stelle anbieten, die körperlich weniger fordernd ist, aber auch mit einer Gehaltseinbuße verbunden ist, entscheidet sich meiner Erfahrung nach die Mehrheit dagegen. Entscheidend ist aber, dass ihnen für die lange Tätigkeit im Unternehmen ein hohes Maß an Wertschätzung entgegen gebracht wird. Das ist leider oftmals nicht der Fall.

Wie können wir Wertschätzung zum Ausdruck bringen?

Das Generativitätsmotiv ist bei vielen älteren Beschäftigten die Basis ihres Engagements. Sie wollen ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben. Das steigert das Gefühl, wertgeschätzt zu werden. Bislang können sie dieses Motiv eher im Privaten ausleben, wenn sie mit ihren Enkeln oder Kindern zusammenkommen. Im Unternehmen wird das aber eher selten abgefragt. Diese Potenziale können für jüngere Kollegen genutzt werden. Die Personalabteilung muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen.

Wie sehen die aus?

Personalentwicklung muss altersgerechte Angebote unterbreiten und den Aufbau altersgemischter Teams fördern. Altersstereotype müssen auf allen Hierarchieebenen thematisiert werden, damit sie den Arbeitsalltag nicht nachhaltig stören. Qualifikationsansätze in Unternehmen müssen die unterschiedlichen Lernstrategien in unterschiedlichen Altersklassen berücksichtigen. Dann werden die Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern dem demografischen Wandel auch in Zukunft gewachsen sein.

Vielen Dank für das Interview.

Martina Hitzler (Dipl.-Biologin) ist seit 20 Jahren Personal- und Kommunikationsberaterin in verschiedenen Branchen. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit (Psychologie B. Sc.) arbeitet sie in diversen Netzwerken und Forschungsprojekten zur Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen. Für das ime ist sie als Expertin und Trainerin für die Themen betriebliche Gesundheit, Kundenorientierung und Vertrieb im Einsatz.